Zitiert aus  dem Buch: Wie Bill es sieht

24. Juli

Tugend und Selbstbetrug

Ich fühlte mich wohl in meinem übersteigerten Glauben an meine eigene Ehrlichkeit. Meine Landsleute in New England hatten mich in die Geheimnisse aller Geschäftsabschlüsse und Verträge durch folgenden Spruch eingeweiht: "Ein Mann – ein Wort!"Mit dieser strengen Regel war es leicht, im Geschäft ehrlich zu sein; ich habe niemals jemand übers Ohr gehauen.

Aus diesem kleinen Stück einer ehrlich erworbenen Tugend entwickelte sich bei mir eine merkwürdige Neigung: Ich versäumte keine Gelegenheit, meinen Freunden in der Wall Street Vorhaltungen zu machen, wenn sie ihre Kunden übervorteilten, Das war schon arrogant genug, doch noch schlimmer war der Selbstbetrug.

Meine geschätzte geschäftliche Ehrlichkeit verwandelte sich in einen bequemen Anzug, in dem ich viele schwere Fehler, die andere Bereiche meines Lebens gefährdeten, versteckte. Dieser einen Tugend gewiss, war es leicht für mich, daraus zu schließen, ich besäße auch alle anderen. Das hinderte mich jahrelang, mich selbst näher zu betrachten.

Auszüge aus den Schriften des Mitbegründers der Anonymen Alkoholiker

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