DIE DRITTE TRADITIONDie einzige Voraussetzung für die AA-Zugehörigkeit ist der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören. Die Dritte Tradition ist in ihrer Aussage so deutlich, daß es eigentlich keiner Erklärung dazu bedarf. Doch Aussagekraft einerseits als Theorie und die praktische Verwirklichung im Gruppenleben klaffen oft weit auseinander. Aber nehmen wir diese Tradition beim Wort: Wieder stellen wir fest, daß AA mit keiner anderen Gemeinschaft vergleichbar ist. Nirgends sind die Aufnahmebedingungen so einfach und lapidar in einem Satz formuliert, nirgends sind die Eingangs-Voraussetzungen so niedrig angesetzt. Für die Zugehörigkeit zu AA gibt es neben der genannten "einzigen Voraussetzung" keine Einschränkungen im Nebensatz hinter dem Komma. Da ist nichts von Geschlecht, Mindestalter, Zustimmung der Erziehungsberechtigten, von Rasse oder Religion, von Aufnahmegebühr und Mitgliedsbeitrag gesagt. Was sich aber hier so einfach liest, ist in der Praxis eine unendlich schwer zu nehmende Hürde. Erinnern wir uns daran, wie lange es gedauert hat und wie schwer es war, bis der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören, in uns langsam aufgekeimt ist. Als diese Tradition vor einigen Jahrzehnten formuliert worden ist, hat man bewußt jedem, der ein Trinkproblem hat, die Tür zur AA-Gemeinschaft öffnen wollen. Heute nimmt die Gemeinschaft das Wort "Trinken" in dieser Tradition immer noch streng wörtlich. Die Erfahrung hat uns außerdem gelehrt, daß viele Alkoholiker zum Erreichen der süchtig strebenden Euphorie auch nach chemischen Mitteln greifen. Deshalb erfüllen die "Doppelschlucker", diejenigen die Alkohol-und Medikamentensüchtig sind, die in der Dritten Tradition aufgestellte Voraussetzung für die AA-Zugehörigkeit. Freunde, die jedoch ein reines Medikamenten-oder Drogenproblem haben, können nur an offenen AA-Meetings teilnehmen. Wir wissen, daß unser Programm, die Zwölf Schritte, vielen Menschen bei vielfaltigen Krankheitsbildern helfen kann. Aus unserer eigenen Erfahrung können wir diesen Freunden mit anderen Suchtkrankheiten als Alkohol nur empfehlen, das AA-Programm auf ihre Sucht hin angewendet, als Genesungsprogramm zu betrachten. Im Weiteren mögen sie sich einer Selbsthilfegemeinschaft von Menschen mit der persönlichen Erfahrung in ihrem Suchtgebiet anschließen, oder eine solche Gruppe zur Unterstützung der eigenen Genesung gründen. So viel über den Beitritt" über das Überschreiten der Eingangs-Schwelle in 'diese Gemeinschaft. Jeder, der den aufrichtigen Wunsch hat, mit dem Trinken aufzuhören, und der dafür das AA-Programm anzuwenden bereit ist, gehört zu den Anonymen Alkoholikern. Es gibt bei AA keine Anwärter und keine Probezeit. Wer in einem AA-Meeting sagt ,,Ich bin Alkoholiker" und darin den Aufhör-Wunsch mit einschließt, sagt unausgesprochen eigentlich "Ich bin Anonymer Alkoholiker". Zur AA-Zugehörigkeit gehört nicht einmal zwingend der Meetings-Besuch. Auch der Loner, der irgendwo allein ohne Gruppe lebende Alkoholiker, kann AA-zugehörig sein, wenn er mit Hilfe des Programms nach einem Ausweg aus seiner Abhängigkeit sucht. AA-zugehörig ist auch der Freund, der glaubt, eine Zeitlang ohne Gruppe auskommen zu können. AA führt keine Anwesenheitslisten. Niemand wird nach dreimaligem, fünfmaligem oder acht Monate währendem Fernbleiben ausgeschlossen. Es kann überhaupt niemand in AA jemanden ausschließen. Selbst der Rückfall, gleich wie lange er dauert, schließt nicht die Zugehörigkeit aus; er unterbricht allenfalls den Kontakt zur Gemeinschaft, bis bei dem Rückfälligen der Wunsch, abermals mit dem Trinken aufzuhören, wieder so stark ist, daß er in die Gruppe zurückkommt. Wer bei einem Wolkenbruch unter einem Vordach eilends Schutz sucht, kann sich diejenigen, die sich mit ihm dort unterstellen, nicht aussuchen. Wem der Körpergeruch des dicht neben ihm Stehenden nicht paßt, wem das aufgeregte Geschwätz zweier anderer stört, hat die Wahl, diese Unannehmlichkeiten vorübergehend zu ertragen oder das trockene Plätzchen zu verlassen und damit naß zu werden. Klar, daß es bei AA genau so ist: auch hier kann ich mir die Gesichter und die Auffassungen derer, die sich gleich mir der Gemeinschaft angeschlossen haben, nicht aussuchen. Die Toleranz, von der oft so viel theoretisch gesprochen wird, ohne daß sich jeder etwas Rechtes darunter vorstellen kann, hier ist sie zu praktizieren. Toleranz ist nicht nur etwas, was man für sich in Anspruch nehmen kann. Oder erinnerst Du Dich nicht mehr, daß Dich die Gemeinschaft aufgenommen hat, so wie Du damals warst? Damals, als Du immer noch dazwischen geredet hast, als Du alles besser wissen und ändern wolltest, als Du schwatzhaft die Anonymität der Freunde verletzt hast, -erinnerst Du Dich? Und jetzt geht Dir der Neue auf die Nerven, nur weil er weniger geschickt lügt als Du? Jetzt nennst Du seinen Beitrag im Meeting "Gelaber", nur weil Du meinst, die ganze AA-Weisheit mit Löffeln gegessen zu haben? Die Gruppe in der Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker, die Hinz und Kunz, Frau Dr. Creti und Herrn von Pleti aufnimmt, ist eine Herausforderung zu gegenseitiger Achtung. Das Zusammenleben und das Zusammengenesen in der Gemeinschaft verlangen, daß wir die von Gott dort empfangene Liebe einander weiterschenken. Unser Weg
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