DER VIERTE SCHRITTDer Vierte Schritt Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren. Nüchtern werden ist ein Prozess, ein Vorgang, eine Entwicklung. Das schafft niemand auf Anhieb. Dazu ist eine Wegstrecke zurückzulegen und zwar zu Fuß. Da wird man nicht gefahren. Wir müssen uns schon selbst auf den Weg machen. Startpunkt ist der Augenblick, in dem Wunsch und Notwendigkeit, mit dem Trinken aufzuhören, in uns so stark sind, dass wir mit Hilfe der Höheren Kraft mit Aussicht auf Erfolg den Kampf gegen den Alkohol aufnehmen können. Wir gehen nicht als Sololäufer, sondern in der A.A.-Gemeinschaft an diesen Start. Und weil dieses Team Erfahrung hat, gibt es uns Empfehlungen an die Hand, mit welchen Schritten wir das Ziel erreichen können. Wenn man sich verirrt hat... Wir sind nicht zu einem Langstreckenlauf gestartet, obwohl wir immer unterwegs sein werden. Vor uns liegt kein Wettrennen, aber auch kein Spaziergang. Wir haben uns auf einen Weg gemacht, der aufwärts führt. Uns ist kein Tempo vorgeschrieben, - im Gegenteil: Leute, die diesen Weg vor uns gegangen sind, empfehlen uns, nicht hastig zu sein und stattdessen lieber kleine Schritte zu machen. Im vierten dieser empfohlenen Schritte rät man uns gar zu einer Pause, zum Verweilen, zum Stillhalten. An einem ungestörten Platz sollen wir rasten und nachdenken, wobei das eigene Ich Gegenstand dieses Nachdenkens ist. Pfadfinder lernen fürs Geländespiel und Rekruten für ernstere Situationen, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie in unwirtlichem Gelände die Orientierung verloren haben. Zugegeben, wenn wir unser bisheriges Leben mit einer Wanderung vergleichen, dann haben wir uns auch ganz schön verirrt. Eigentlich sind wir auf dem Weg bisher noch nicht weit vorangekommen. Pfadfinder und Rekruten lernen in der Ausbildung, dass es sinnlos ist, auf verlorenem Weg ziellos weiterzulaufen. In der Verirrung bringt einen Panik nicht weiter. Nur wer dumm ist, rennt in einer solchen Situation kopflos hin und her. Nur wer noch nicht gemerkt hat, dass er sich verirrt hat, geht auf dem falschen Weg weiter. Nur wer den Ernst seiner Lage leichtfertig unterschätzt, wird auf gut Glück irgendeinen Weg ausprobieren. Deshalb hilft in der Verirrung nur eines: zuerst einmal stehen bleiben und nachdenken. Dabei wird man sich den bisher zurückgelegten Weg in Erinnerung rufen und sich das Ziel vor Augen stellen. Mit dem ihm greifbaren Wissen und Hilfsmitteln versucht der Pfadfinder, seinen Standort zu bestimmen. Erst wird er versuchen, die Himmelsrichtungen herauszufinden. Wenn er in etwa weiß, wo er sich befindet, kann er auf sein Ziel hin den Weg fortsetzen. Nachdenken hilft also in der Situation der Verirrung und der Verwirrung. Haben wir uns - gegängelt vom Alkohol - nicht auch in die Irre leiten lassen? Ist es uns nicht längst der Kontrolle entglitten, wohin die Reise geht? Jetzt geht es uns wie dem verirrten Pfadfinder. Wir sitzen irgendwo und müssen erst einmal herausfinden, wo unser Standort ist. Um zu wissen, wo wir stehen, brauchen wir Klarheit über den bisher zurückgelegten, verworrenen Weg. Wann mache ich Inventur? In der beschriebenen Situation sind wir allein. Das ist nicht schlimm und ist auch kein Grund, sich zu ängstigen. Wir haben unseren Verstand und die Hinweise unserer Freunde, die vor uns aufgebrochen und auch an die Stelle gekommen waren, an der sie nicht mehr weiter wussten. Sie erzählen uns davon, dass auch sie ihre Inventur irgendwann einmal allein gemacht haben. Sich selbst kennen lernen, ist die intimste aller Bekanntschaften. Da möchte man zunächst niemanden um sich haben. Bevor auf die Fragen, was wir bei der Inventur machen, wie und wozu wir das anstellen, eine Antwort versucht wird, taucht beim Meeting möglicherweise erst einmal die Frage nach dem Wann auf. Und wie bei vielen solchen innerhalb unserer Gemeinschaft gestellten Fragen gibt es viele Antworten, aber keine allgemein gültige Regel. Es gibt viele Antworten, weil bei uns jeder seine eigenen Erfahrungen hat und weil jeder seine eigene Meinung haben darf. Wenn man unter Inventurmachen Selbsterkenntnis versteht, dann ist dies nach einem alten Sprichwort der erste Schritt zur Besserung. Wenn also Inventur so viel heißt wie die eigene Person und deren Standort erkennen, wenn sie die Rückgewinnung von Selbstwertgefühl einschließt, dann steht der Vierte Schritt ganz sicher am Anfang des Prozesses unseres Nüchternwerdens. Dies einfach deshalb, weil derjenige, der immer noch mit einem völlig falschen Bild von sich selbst herumläuft, erfahrungsgemäß nicht lange trocken bleibt, geschweige denn nüchtern wird. Wenn aber der Begriff der Inventur weitergefasst wird in Richtung auf Ursachenforschung, dann sollte man mit diesem Teil der Inventur zumindest langsam vorgehen. Abgesehen von manch berechtigten Einwänden gegen zuviel Ursachenforschung, worüber noch zu sprechen sein wird, sei hier schon gesagt, dass der Anfänger mit dieser Problematik erfahrungsgemäß überfordert und damit in seiner Nüchternheit gefährdet ist. Beschränken wir aber Inventur auf das, was sie eigentlich ist, auf das Sortieren von Positivem und Negativem, auf das Zusammentragen von Erinnerungsfetzen mit dem Ziel der Selbsterkenntnis, dann gehört sie an den Anfang unseres neu begonnenen Lebens. Sie ist hier geradezu notwendig, weil sie im wörtlichen Sinn unsere Not wendet. Aber zurück zur ganz konkret gestellten Frage nach dem Wann der Inventur. Nun, Inventur macht man nicht zwischen Suppe und Hauptgericht beim Mittagessen, nicht zwischen Waschen und Abtrocknen beim Geschirrspülen. Da braucht man schon ein bisschen Zeit und Ruhe. Viele berichten, dass sie Ruhe zur Inventur draußen in der weiten Natur gefunden haben; aber es kann genauso gut der Garten, der Hobbyraum oder die Wohnung sein, wenn man darin ungestört ist. A.A.-Inventuren sind in den Bergen, am Strand, beim Waldspaziergang, in D-Zügen, Kathedralen, bei langen Autofahrten oder Fußmärschen, in Krankenhäusern und Gefängnissen möglich. A.A.-Inventuren können fast überall gemacht oder zumindest in Gang gesetzt werden. Voraussetzung ist in allen Situationen sicherlich immer nur die Bereitschaft und die Möglichkeit zu innerer Ruhe. Wo mache ich Inventur? Ein Teil der Möglichkeiten, wo Inventur denkbar sein könnte, ist im vorausgegangen Satz schon angedeutet. Weil aber die Inventur so entscheidend mit dem Beginn des Nüchternwerdens zusammenhängt, drängt sich hier die Diskussion in dieses Kapitel, ob man nur durch A.A. oder durch eine Kur nüchtern werden kann. Es würde den Rahmen dieser Denkanstöße zum Vierten Schritt sprengen, jetzt Für und Wider in aller Breite darzulegen. Außerdem liegt diese Frage für die meisten von uns ja bereits im Gestern. Jedenfalls ist die Zeit, in der wir gezwungenermaßen oder freiwillig vorübergehend aus dem Verkehr gezogen sind, recht geeignet, Inventur zu machen. Es ist geradezu der Sinn solcher Aufenthalte, uns Ruhe zum Nachdenken zu geben. Die in Krankenhäusern und Entzugskliniken angewandten Therapien zielen nach der körperlichen Wiederherstellung in diese Richtung. Eine solche Therapie durch Ärzte, Psychiater oder die als Gruppe fungierenden Mitpatienten ist umso Erfolg versprechender, je mehr sie uns zum Nachdenken und damit zur Klarheit über uns selbst verhilft. Aber auch die beste und teuerste Entziehungskur befreit uns nicht von der Notwendigkeit, hier selbst tätig zu werden. Kein Professor, auch wenn er fünf Doktortitel hat, kann für uns Inventur machen. Wir müssen schon selbst herausfinden, wo wir stehen, was mit uns los ist, was wir aus dem bis dahin ziemlich verkorksten Leben herüberretten können, wie es überhaupt mit uns weitergehen soll. Ein solches Insichhineinhorchen braucht deshalb nicht unbedingt in einer Kur oder in einer Klinik stattzufinden. Bei A.A. sind die Beispiele Legion, bei denen die Standortbestimmung ("Ich bin Alkoholiker") außerhalb solcher Einrichtungen vollzogen worden ist. Warum mache ich Inventur? Das richtige Bild von sich selbst zu haben, ein Bild ohne Schnörkelrahmen und Verzierungen, ein Bild weder im Format einer Briefmarke noch in der Größe eines Wandgemäldes, dieses Gewinnen einer Klarsicht über die eigene Person ist das Ziel jeder gründlichen Inventur. Die generelle Antwort auf das Warum all unseren Bemühens steht in der A.A.-Präambel, wenn vom Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören, die Rede ist. Dort heißt es, dass es Hauptzweck ist, nüchtern zu bleiben. Diesem Hauptzweck dient es, wenn wir uns darum bemühen, ein klares Bild von uns selbst zu gewinnen. Bisher hatten wir das nämlich nicht, weil wir die Welt um uns herum und die Welt in unserem Innern immer nur durch die Zerrbrille gesehen haben. Da waren wir wechselweise die Kings in der grölenden Biertischrunde oder das heulende, katzenjammernde Elend nachts allein in unserem Bett. Aus diesen unrealistischen Extrempositionen heraus in die Mitte, ins gesicherte Senkrecht, zu finden, ist das Ziel unserer Inventur. Solange nämlich, wie wir uns an vermeintlicher Größe, an der Unwiderstehlichkeit unseres eingebildeten Charmes, an der umwerfenden Komik unseres labernden Humors, an der Unbegrenztheit unserer beruflichen Fähigkeiten hochgaukeln, solange ist der Griff nach dem, was uns diesen Wahn erst in den Kopf gesetzt hat, ganz nah. Erst wenn dieser nebulöse blaue Dunst aus unserem Hirn herausgepustet ist, können wir klar denken. Wir brauchen zu unserer Nüchternheit das nüchterne, klare, gefühlsfreie, mitleidlose Wissen um unsere eigene Person. Wir sind bei der im Vierten Schritt empfohlenen Inventur auf der Suche nach der eigenen Identität. Unsere "Identitycard" - unsere Kennkarte - enthält ein Foto; vielleicht ist dieses Personalausweis-Foto die richtige Größe von dem Bild, das wir von uns haben sollten. Jedenfalls ist dieses Foto echt, ungeschminkt und unretuschiert. Es unterscheidet sich von dem Scheinbild, das wir wie schlechte Schauspieler früher uns selbst und anderen vorgespielt haben. Was mache ich bei meiner Inventur? Auch ohne Kaufmann zu sein, weiß man ungefähr, was die Geschäftsleute am Jahresende machen, wenn sie für einen Tag ein Schild an die Ladentür hängen "wegen Inventur geschlossen". Sie brauchen Ruhe, wenn sie hinter verschlossener Tür an die Bestandsaufnahme gehen. Der Kaufmann wird im Vergleich zur vorausgegangenen Inventur diejenigen Artikel herausfinden, die in seinem Geschäft unbrauchbar sind. Er wird sich von Ladenhütern trennen, weil sie ihn belasten und weil sie sein Vorankommen blockieren. Er wird Haltbarkeitsdaten überprüfen, auf Verderbliches besonders achten und Verdorbenes aussortieren. Er wird aber auch herausfinden, wo bei ihm die Stärken liegen und diese Seiten seines Handelns intensiver zu entwickeln bemüht sein. Das alles trifft auch auf unsere Situation zu. Wir werden auch unsere Geschäftigkeit für kurze Zeit unterbrechen und mit dem Sortieren beginnen. Wir werden unser Leben Revue passieren lassen und herausfinden, wo unsere Schwächen und wo unsere Stärken liegen. Das Ergebnis dieser Untersuchung sieht wahrscheinlich bei jedem von uns anders aus. Wir alle werden merken, dass die Habenseite kein weißes Blatt zu bleiben braucht. Es ist nicht alles negativ an uns, jeder von uns kann auch einiges. Wir alle aber haben eins gemeinsam: Wir können ganz offensichtlich alle keinen Alkohol trinken. Denn wir werden herausfinden, dass an fast allen Schwierigkeiten und Widrigkeiten in unserem bisherigen Leben der Alkohol irgendwie beteiligt war. Wenn uns die Inventur gottlob nicht nur Negatives offenbart, wenn sie uns im Gegenteil wieder Selbstwertgefühl zu geben imstande ist, dann macht sie uns auf der anderen Seite aber auch mit harter Konsequenz deutlich, dass wir mit Alkohol ganz offensichtlich nicht zurechtkommen. So gesehen, bestätigt uns die Inventur des Vierten Schrittes mit einer Fülle von Quittungen und Belegen das, was wir im Ersten Schritt schon zugegeben haben: unsere Kraftlosigkeit gegenüber dem Alkohol. Wie mache ich Inventur? Beim gründlichen Nachdenken über das bisherige Leben fragt man sich zwangsläufig auch, wie das alles gekommen ist, wie es einmal angefangen hat mit dem Trinken. Wir sind also bei dem Punkt, den man Ursachenforschung nennt. Wir erinnern uns an unser allererstes Glas, an den ersten Rausch. Wir wissen vielleicht auch noch die Beweggründe, aus denen heraus wir damals getrunken haben. Später und vor allem in der Schlussphase haben wir keine Anlässe mehr gebraucht, da haben wir uns ohnehin nur noch mit fadenscheinigen Ausreden selbst belogen. Vielleicht finden wir heraus, dass wir als so genannte Erleichterungstrinker angefangen haben. Wir hatten gemerkt, dass mit Alkohol manches zunächst leichter zu bewältigen war. Aus dieser trügerischen Erfahrung haben wir dann immer häufiger zum Glas gegriffen, bis Ursache und Wirkung in unserem Unterbewusstsein längst verwischt waren. - Ein anderer mag herausfinden, dass bei ihm eigentlich Faulheit das Anfangsmotiv war. Das Glücksgefühl, das andere erreichen, indem sie etwas zustande bringen, ermogelte er sich ohne Leistung durch die Droge Alkohol. Bei unseren Inventuren, auch wenn wir später über das Ergebnis im Meeting sprechen, kommen sicher noch andere Anfangsmotivationen zutage. Darüber Bescheid zu wissen, kann im Prinzip nichts schaden, wenn man aus solcher Erkenntnis keine falschen Schlüsse zieht. Erstens einmal wird man nie den Gesamtkomplex der Ursachen herausfinden, die zum Trinken geführt haben, höchstens Teilaspekte eines insgesamt sehr schwierigen Phänomens. Wir wissen also nichts Genaues über die Ursachen, wir ahnen höchstens, dass der Beginn unseres Trinkens möglicherweise mit diesem oder jenem Umstand in Zusammenhang stehen könnte. Zum zweiten wäre es verhängnisvoll, aus solchem Ahnen falsche Konsequenzen abzuleiten, etwa in der Richtung: Jetzt weiß ich, woran es gelegen hat, ich ändere das, beseitige nachträglich die Ursache (was ohnehin unmöglich ist), und kann dann normal trinken. Dem steht die wissenschaftlich erhärtete Erkenntnis entgegen, dass der einmal erreichte Status des Alkoholikers ganz unabhängig von allen Ursachen und deren Erkenntnis unveränderbar ist. Da kann man das Rad der Persönlichkeitsentwicklung nicht einfach zurückdrehen. Da bleibt nur die eine Konsequenz, den einmal erkannten Status: "Ich bin Alkoholiker" anzunehmen. Das nämlich, was diese Krankheit zur unheilbaren Krankheit macht, der Kontrollverlust, bleibt -selbst dann, wenn man glaubt, die Ursachen, aus denen heraus das Trinken irgendwann einmal angefangen hat, erkannt zu haben. Aber wie machen wir nun unsere Inventur? Ganz sicherlich nicht, indem wir uns hinsetzen und die getrunkenen Gläser zusammenzählen und ausrechnen, wie viel Geld wir dafür ausgegeben haben. Es hat auch nichts mit der im Vierten Schritt empfohlenen Inventur zu tun, wenn wir völlig unnötig diesem Geld nachweinen. Das alles war gestern und zählt für unser neues Leben nicht mehr. Dieses Geld ist nur dann nicht völlig unnütz ausgegeben, wenn wir es Einschmelzen und ummünzen in Konsequenzen für unser neues Leben. Inventurmachen ist auch mehr als das Zusammentragen von Episödchen, um unsere Lebensgeschichte im öffentlichen Meeting erzählbarer zu machen. Wir müssen da schon ein bisschen tiefer nachschauen in unserem Innern und die Trümmer sortieren. Furchtlos sollten wir das machen, heißt es im Vierten Schritt. Das heißt doch wohl, dass wir die zum Schutz der feinen Hände angelegten Gummihandschuhe abstreifen und uns nicht scheuen, vor uns selbst alles freizulegen, was passiert ist und sich persönlichkeitsverändernd in uns festgefressen hat. Wer aber setzt die Maßstäbe, nach denen wir sortieren? Wer gibt uns sozusagen den Beichtspiegel in die Hand, an dem wir ablesen können, was richtig und was falsch war? Die in der A.A.-Gemeinschaft immer wieder auftauchende und letztlich zu bejahende Frage drängt sich auf, ob es uns um mehr geht als um die Lösung des Trinkproblems. Damit sind wir wieder an einem Punkt, bei dem manche A.A.-Freunde unruhig werden und Gespenster, Schwierigkeiten sehen, wie immer, wenn A.A. mit der Höheren Kraft oder Dingen in Berührung kommt, in denen es verwandtschaftliche Bezüge zur Religion gibt. Sollen bei der Inventur die Maßstäbe christlicher Ethik oder humanistischer Idealvorstellungen gelten? Nimmt man die Zehn Gebote als Grundlage oder Goethes "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut"? - Wer sagt uns, was gut und schlecht ist, wo Erlaubtes aufhört und Verbotenes anfängt? Gibt es den Begriff der Sünde bei A.A. und damit im Vierten Schritt? Sünde ist ein Begriff aus der Religion oder aus Religionen, mit denen A.A. laut Präambel nicht verbunden ist. Keine dieser Gemeinschaften kann hier für uns alle gleichermaßen geltende Maßstäbe und Normen setzen. Wer sich einem solchen Bekenntnis verbunden fühlt, kann mit den dort vorgegebenen Normen an seine Inventur herangehen. Wir alle aber können die Maßstäbe des Gewissens zur Grundlage der Inventur machen. Ein guter Maßstab zur Beurteilung des eigenen Verhaltens ist die Erwartung, die man vom Handeln des anderen sich selbst gegenüber hegt. Wenn wir so handeln, wie wir gern von anderen behandelt werden, liegen wir schon ziemlich richtig. Dafür ein paar Beispiele: Wer ist schon gern belogen, betrogen, von anderen ausgenützt? In der Partnerschaft der Intimbeziehung von anderen zum Befriedigungsobjekt degradiert? Wer ist schon gern von oben herab behandelt, gehänselt oder ins Geschwätz gezogen? Uns selbst wird l unwohl, wenn andere übertrieben aufs Blech hauen, sich aufspielen, wenn sie uns ins Wort fallen und nur ihre Meinung gelten lassen. Niemand steht gern herum und wartet, wenn er verabredet ist. Wir möchten eigentlich, dass die anderen uns gegenüber pünktlich, korrekt, ehrlich, höflich und tolerant sind. Wenn wir solche Erwartungshaltungen zur Grundlage eigenen Handelns machen, arbeiten wir an uns selbst. Wenn wir solche Erwartungshaltungen, die wir uns im neuen Leben sehr schnell angewöhnen, als Maßstäbe nehmen, um unsere eigenen Vergangenheit auf Soll- und Habenseiten zu sortieren, dann machen wir Inventur. Inventur aber kann nur den Sinn haben, daraus Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Wenn wir nun die Hauptfelder unserer Fehlhaltungen kennen, werden wir das Unkraut nach und nach jäten und Feld für Feld frisch einsäen. Kontrollmöglichkeit darüber, wie wir hier Stück für Stück vorankommen, bietet uns ein anderer A.A.-Schritt, der zehnte, in dem auch von der Inventur - von der täglichen - die Rede ist. Unser
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