21. Mai

… Sie blickte um sich und stellte fest, dass es keine Geister waren, die umherhuschten, sondern Schatten vom Spiel des Mondlichts in den Bäumen vor dem Fenster. (Lisa Alther)

Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Angst der Kinder vor dem Schlafengehen auf eine all zu lebhafte Fantasie zurückzuführen ist. Auch unsere Fantasie kann abends Formen annehmen, die uns die Wirklichkeit ganz verzerrt erscheinen lassen. Wir bilden uns Dinge ein, die keineswegs der Realität entsprechen.

Wenn uns jemand nicht grüßt, meinen wir schon, dass er uns hasst. Warten wir vergeblich auf einen Telefonanruf, bilden wir uns bereits ein, der andere habe uns die Freundschaft gekündigt. Anstatt die Dinge realistisch zu sehen, fantasieren wir alles mögliche in sie hinein. So werden dann aus kleinen Ärgernissen riesige Katastrophen, und wir empfinden das leiseste Geräusch in der Nacht als unheimlich und Furcht erregend.

Doch der Abend ist nicht anders als der Tag, und wir brauchen uns vor nichts zu fürchten, außer vor unseren Gedanken. Diese jedoch können wir aus unseren Köpfen verbannen, indem wir die Dinge so zu sehen versuchen, wie sie tatsächlich sind und nicht wie wir sie uns in der Fantasie ausmalen.

Heute Abend will ich versuchen, die Dinge ganz nüchtern zu betrachten. Dabei wird die Dunkelheit meinen Blick nicht trüben.