ZWÖLFTER SCHRITT

Nachdem wir als Resultat dieser Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, versuchten wir, diese Botschaft an Alkoholiker heranzutragen und diese Prinzipien in all unseren Angelegenheiten anzuwenden.

Das Ziel dieser Interpretation besteht darin, das Arbeitsverfahren des Zwölften Schrittes darzustellen. Alle Angaben stammen aus einer zuverlässigen Informationsquelle: Alkoholics Anonymous.

Wir können zum Verständnis und zur Anwendung dieses Schrittes gelangen, indem wir uns mit jedem einzelnen seiner drei Abschnitte eingehend befassen.

Erster Abschnitt

„Nachdem wir als Resultat dieser Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, ...“

Im Englischem steht hier der Begriff:  spiritual experience – spirituelles Erlebnis, Erfahrung der göttlichen Gegenwart. Dies ist übrigens das einzige Wort, das im Ringen um Verständnis am Wortlaut der Schritte geändert wurde. In der ersten Ausgabe 1939 steht „Erfahrung“ und in der zweiten und dritten (1955, 1976) liest man awakening- Erwachen. Da es hier um die Interpretation festbegründeter AA-Auffassungen geht, wollen wir konsequenterweise in Bezug auf spirituelle Werte kein Blatt vor den Mund nehmen oder die Tatsache verschweigen, daß das "spirituelle Erwachen" der wesentlichste Faktor unserer Genesung ist. Ohne spirituelles Erwachen gibt es bestenfalls Abstinenz, gepaart mit dem Bedauern, nicht mehr trinken zu können.

In weiser Voraussicht geht es für uns in mindestens sechs der ZwölfSchritte um Spiritualität. Wir kennen die Trugschlüsse des alkoholsüchtigen Denkens, und daher ist es für uns undenkbar, daß wir ohne spirituelle Erleuchtung, bedingt durch irgendeine Kraft, die größer ist als wir selbst, vom Alkoholismus genesen könnten. Dadurch, daß wir die Zwölf Schritte leben, bekommen wir diese Eingebung und kommen zum Wissen um Gott.

Ohne die spirituellen Prinzipien der Zwölf Schritte könnte es kein AA geben. Stattdessen wäre da ein Kreis mehr oder weniger mißgestimmter Alkoholiker, die vorübergehend abstinent sind und unentwegt im Zustand geistiger Trunkenheit leben.

Ohne die Wohltat des spirituellen Einflusses, würde das Faustrecht nachtragenden, alkoholsüchtigen Denkens die Oberhand gewinnen und jedes einzelne Mitglied in den Wahnsinn des Alkoholismus zurücktreiben. Unsere Nüchternheit verlangt einen Persönlichkeitswandel. Dadurch, daß wir das AA-Programm an uns nachvollziehen, erreichen wir ihn in Form eines spirituellen Erwachens.

Sind wir wirklich spirituell erwacht, oder ist das, was uns trocken hält, Zufall, Angst, Eigensinn oder das alkoholkranke Erklärungssystem? Wenn das letztere der Fall ist, was erfüllt uns dann mit der Begeisterung und dem Wunsch, "die Botschaft an andere Alkoholiker heranzutragen"? Kann ein so achtbarer Beweggrund aus Zufall, Angst oder Selbstsucht erwachsen?

Wer schenkt uns die Kraft, mit dem Trinken aufzuhören und die Abstinenz beizubehalten? Wer vergönnt uns die Kraft, anderen Alkoholikern zu helfen, mit dem Trinken aufzuhören? Wer gewährt uns den Wunsch, ihnen dabei zu helfen? Was gibt anderen die Kraft, sich das Wunder der Nüchternheit anzueignen und es weiterzugeben? Ist es Alkoholikern möglich, ihre körperliche Allergie und ihre geistige Besessenheit, ihren Alkoholismus aus eigener Kraft zu stoppen? Das glauben wir nicht. Die Medizin ist der gleichen Meinung. Alkoholiker, die versuchen, diese Theorie zu widerlegen, enden im Rausch.

Offensichtlich gibt es nur zwei Antworten auf diese Fragen. Erstens: Wer die Schritte in allen Einzelheiten akzeptiert und nachzuleben versucht, erleidet bei AA selten Schiffbruch. Zweitens: Wer ihre spirituellen Prinzipien ausläßt, ist selten erfolgreich.

Zweifellos benötigen wir spirituelle Hilfe, um die geistige Stabilität zu erreichen, die uns zu der Nüchternheit hinführt, die wir genießen wollen.

Eine Umfrage unter ein paar hundertAA-Mitgliedern enthüllte viele interessante Meinungen in Bezug auf das spirituelle Erwachen in ihrer Nüchternheit.

Folgende Fragen wurden jedem einzelnen Mitglied zwanglos vorgelegt:

1)      Hattest du ein spirituelles Erwachen (spirituelle Erlebnisse, Erfahrungen)?

2)      War es für deine Genesung lebenswichtig?

3)      Wann hat es stattgefunden?

4)      Kannst du es näher beschreiben?

Die meisten der Befragten stimmten zu, daß sie einen grundlegenden Persönlichkeitswandel zu ihrem Vorteil durchgemacht haben. Nur zwei der befragten Personen behaupteten, eine plötzliche, umwälzende spirituelle Transformation [ihrer Wesensart bzw. Persönlichkeit] erlebt zu haben.

Beide Gruppen räumten ein, daß der Persönlichkeitswandel eine wichtige Bedeutung für ihre Nüchternheit hatte, und sahen Beweise eines spirituellen Erwachens in ihrer Bereitschaft, Gottes Hilfe zu akzeptieren, als sie den Problemen des nüchternen Lebens gegenüberstanden.

Nur wenige Mitglieder konnten sich daran erinnern, wann genau das stattgefunden hat. In vielen Fällen wurden die Veränderungen ihrer Natur zuerst von nahestehenden Bekannten bemerkt. Einige waren nicht in der Lage mit Worten auszudrücken, wie sie ihren bewußten Kontakt mit Gott erleben. Doch alle erklärten, soviel Kontakt zu haben und in Anspruch zu nehmen, daß sie nüchtern bleiben.

Ihre Erfahrungen begannen mit der Übergabe ihrer Charakterfehler an "Gott, wie sie Ihn verstanden" und wuchsen, als sie sich auf Ihn, anstatt auf den Alkohol und sich selbst, verließen.

In den Meinungen über spirituelles Erwachen, die von Mitgliedern auf internationaler Ebene aufgezeichnet wurden, zeigten sich als gemeinsame Nenner: Vertrauen, Kapitulation [Aufgabe des alten Lebens und Hingabe an Gott], Demut, Toleranz und Liebe. Diese Elemente können nach keiner Rangordnung aufgelistet werden. Jedes einzelne war jeweils für denjenigen wichtig, der es angab.

Hier folgen einige ihrer Überzeugungen: "Ich glaube auf richtig daran, daß ich ein spirituelles Erwachen erlebte, als ...

1)      ... ich merkte, daß mich etwas vor dem ersten Schluck Alkohol bewahrt hatte; als mich meine frühere Skepsis in Bezug auf Gott verließ und als ich mehr Vertrauen in AA faßte - als ich Dankbarkeit verspürte und sie demütig in Gebeten zu "Gott, wie ich Ihn verstand" zum Ausdruck brachte."

2)      ... ich an einem AA-Meeting teilnahm. Ich war stark beeindruckt durch den Wortbeitrag eines Mitgliedes, das sechs Monate nüchtern war und sich offensichtlich eine völlig zufriedene Nüchternheit wünschte. Seine Bereitschaft, clean zu werden, brachte mich zum Nachdenken. Ich war seit zwei Jahren trocken gewesen, aber ich war dabei nicht glücklich. Am nächsten Tag unternahm ich den Fünften Schritt mit einem verständnisvollen Geistlichen. Das war der Beginn meines spirituellen Erwachens."

3)      ... mich mein Verstand zu der Erkenntnis brachte, daß es eine Kraft geben mußte, die in meinem Innern unabhängig von meinem körperlichen Dasein wirkte, und die mir Nüchternheit und Seelenfrieden gegeben hatte - beides gleichzeitig."

4)      ... mir zum ersten Mal all die guten Dinge bewußt wurden, die Dankbarkeit verdienten und als ich so viel Anteilnahme für die Nöte von anderen empfand, daß ich versuchte, ihnen zu helfen - als ich mich auf eine Höhere Kraft verließ, dadurch nüchtern blieb und wieder Vertrauen zu mir selbst fand."

5)      ... ich mein eigenes Verständnis von Gott bereitwillig akzeptierte - nicht die Vorstellungen von anderen, sondern mein eigenes Verständnis."

6)      ... ich bei AA Hilfe suchte und von meinen Sponsoren mit Verständnis, Freundschaft und Mitgefühl behandelt wurde."

7)      ... ich meine Hilflosigkeit als Alkoholiker voll und ganz zugab und wußte, daß es einer Kraft bedurfte, die außerhalb von mir selbst war, um mich vor dem Wahnsinn oder dem Tod durch Alkohol zu retten. Mein Erwachen war fortlaufend, und jeder einzelne Schritt trug seinen Teil dazu bei."

8)      ... ich nach etwa einem Monat bei AA von einem fürchterlichen Saufdruck befallen wurde. Auf halbem Wege in eine Bar bat ich Gott um Hilfe. Sie kam sofort. Ich verließ den Ort, ohne zu trinken und mit einem Gebet des Dankes in meinem Herzen."

9)      ... ich versucht hatte, nach den Prinzipien der Zwölf Schritte zu leben und zu der Überzeugung kam, daß ich mein erstes ehrliches Tagwerk getan und wirklich versucht hatte, daraus einen wertvollen Tag zu machen. In diesem Moment wurde mir klar; daß ich es nicht allein getan hatte."

10)  ... ich die Entscheidung im Dritten Schritt getroffen hatte und meine Inventur begann, um herauszufinden, was mich seit meiner Kindheit von Gott getrennt hatte. Das Erwachen muß damit begonnen haben, daß ich mein Gewissen entdeckte - als ich darauf hörte und es als Urteilsinstanz benutzte, um zwischen richtig und falsch zu unterscheiden."

11)  ... ich die Ansichten anderer Menschen einzusehen begann, ihnen ihre Unzulänglichkeiten erlaubte, meine eigenen Fehler zugab und für das Wohlergehen der anderen ebenso wie für mein eigenes Wohl zu beten begann."

12)  ... ich mit der Wiedergutmachung begann. Der erste Versuch wurde entgegenkommend angenommen und vermittelte mir ein wunderbares Gefühl von Befriedigung und Wohlbefinden. Ich vermute, das war spirituellen Ursprungs. Doch als ich bei dem nächsten Versuch beinahe aus dem Büro eines Mannes hinausgeworfen wurde und nicht im nächsten Augenblick einen Wutanfall bekam, da wußte ich, daß es Gottes Wille - und nicht mein eigener - war; der mich führte."

Die Ergebnisse dieser Umfrage deuteten weder darauf hin, daß Zeit bei dem spirituellen Erwachen eine wesentliche Roll spielte, noch ließen sich aus der Geschwindigkeit des Erwachens Rückschlüsse auf seine Qualität ziehen.

Manche Mitglieder bekamen es von jetzt auf gleich. Andere fühlten sich wochen- und monatelang im AA-Programm und der Gemeinschaft, ehe bei ihnen ein inneres Gefühl von Gottes Gegenwart erweckt wurde.

Doch abgesehen von Zeit und Tiefe dieses Erwachens trat es bei allen Alkoholikern auf, sobald sie ihre Charakterfehler aufspürten und versuchten, sie "Gott, wie sie Ihn verstanden" anzuvertrauen.

Entsprangen diese Erfahrungen lediglich ihren Phantasien? Wohl kaum! Nüchternheit und Seelenfrieden kamen nur mit Glauben und Verlaß auf Gottes Willen.

Neulinge erkennen meist nicht so schnell ein spirituelles Erwachen im Rahmen der AA-Lebensweise. Deshalb rieten uns unsere Gründer: ''Sie beide, der Neuling und Sie, müssen Tag für Tag auf dem Pfad des spirituellen Fortschrittes gehen."

Nur wenige Mitglieder spüren von sich aus und von Anfang an das Bedürfnis nach dem spirituellen Programm von AA oder kennen seine Bedeutung für die tägliche Aufrechterhaltung ihrer Nüchternheit. Verloren in dem verwirrenden Irrgarten ihres Alkoholdilemmas denken sie einzig und allein daran, den körperlichen und psychischen Höllenqualen ihrer Trunksucht zu entrinnen. Die Qualität ihrer Nüchternheit erscheint ihnen zu Beginn nicht so wichtig.

Beim Eintritt in AA fiel es schwer, sich ein Ziel jenseits von erbärmlicher Trockenheit vor Augen zu führen. Durch das zwanghafte Trinken saßen wir übel in der Klemme. Wir konnten nicht mit Alkohol weiterleben, doch ohne ihn erschien ein Leben ebenso unmöglich. AA bot uns Nüchternheit an, doch damit waren Bedingungen verknüpft. Nüchternheit und Spiritualität kamen als spirituelles Kombi-Paket daher, und manche von uns weigerten sich, es anzunehmen.

Das war nicht gerade überraschend, denn die meisten von uns hatten jahrelang mit Gottes Willen im Konflikt gestanden. Als wir mit älteren Mitgliedern sprachen, wurde uns geraten, uns selbst nicht zu wichtig zu nehmen  und uns erst mit dem Programm vertraut zu machen, bevor wir es neu zu schreiben beginnen.

Sie sagten uns, Persönlichkeiten ändern sich nicht über Nacht, und wir sollten aufgeschlossener und geduldiger bei der Ausarbeitung der vielen Einzelheiten in der Genesung sein.

Später lernten wir, daß uns die Zwölf Schritte zunehmend halfen, dieses Ziel zu erreichen. Als wir sie uns zur Lebensgewohnheit gemacht hatten, rissen sie die psychischen Barrieren der Vorurteile und der Eigenwilligkeit ein, die zwischen Gott und uns gestanden hatten. Schließlich brachte diese Lebensweise ein spirituelles Erwachen mit sich, das uns die Augen öffnete und uns einen völlig neuen Ausblick auf die wahren Werte des Lebens gab.

Wir sollten auf eine Wiederbelebung dieser Erfahrung hinarbeiten und unsere Lebensumstände entsprechend einrichten Wenn wir uns diese Hilfsquelle entgehen lassen, schaffen wir lediglich mehr Raum für unsere Probleme, die uns ohnehin schon bedrücken.

Alkoholiker, die sich selbst dienen anstatt Gott, laden sich alle möglichen Schwierigkeiten auf. Sie fallen leicht der geistigen oder körperlichen Trunkenheit zum Opfer – meistens gleich beidem auf einmal.

Manchmal legen sich Mitglieder aufgrund von nüchternen Phasen ein falsches Gefühl der Sicherheit zu, das sie durch den Umgang in den Gruppen, jedoch ohne spirituelle Hilfe, gewinnen.

Wir nennen sie Trittbrettfahrer. Ihre Art (ihr Verhalten) wirkt wie echte Nüchternheit, aber ihre Widerstandskraft versagt im Angesicht von Mißgeschick, Groll oder körperlichem Suchtruck des Alkohols.

Tägliches spirituelles Wachstum, das durch ein verzweifeltes Bedürfnis nach Hilfe geweckt wird, ist der wirksamste Schutz gegen diese Zwänge. Nur Gottes Hilfe und zusätzlicher Umgang mit den Gruppen unterstützten das notwendige Wachsturn. Sie sind die unverzichtbaren Zutaten für ein erfolgreiches AA-Leben. Sie sind geeignet, uns ein zufriedenes Leben ohne Alkohol zu schenken.

Dies ist ein wichtiger Punkt, denn der Unterschied zwischen zufriedener und unglücklicher Nüchternheit ist allzu oft der bewußte erste Schluck.

Man braucht kein Superhirn, um die Quelle zu bestimmen, aus der wir die Kraft schöpfen, um unseren Alkoholismus aufzuhalten. Beinahe hinter jedem Gedanken und jeder Tat können wir Zeugnisse eines spirituellen Wandels in unserem Leben entdecken.

Was - außer einem spirituellen Erwachen - könnte unsere Angst, unseren Groll und unsere Unehrlichkeit abschwächen? Was sonst könnte unsere psychische Zwanghaftigkeit und unseren körperlichen Saufdruck zügeln?

Betrachten wir unsere zufriedene Nüchternheit, der wir uns erfreuen; die Verantwortung, die wir täglich übernehmen; unsere Einstellung zur Vergebung; die Wiedergutmachung; unsere Bereitschaft, Fehler einzugestehen und unser selbstloses Interesse daran, kranken Alkoholikern und anderen Menschen, die weniger glücklich sind als wir zu helfen. Es dürfte keine Schwierigkeit sein, in all diesen Dingen das Wesen einer spirituellen Erfahrung zu erkennen.

Die spirituellen Gesichtspunkte unseres Lebens werden sogar noch überzeugender, wenn wir entdecken, daß diese Dinge ohne den geringsten Gedanken an persönlichen Ruhm oder Hoffnung auf materiellen Gewinn getan wurden.

Doch ein spirituelles Lebens bleibt im Ergebnis niemals ohne Lohn. Gott zahlt seine Dividenden - wenn auch selten in klingender Münze, sondern in göttlicher Währung: glückliche Gelassenheit.

Diese Glückseligkeit diese Gelassenheit wird im Big Book in der Lebensgeschichte "Unser Freund aus dem Süden" erwähnt. Hier folgen einige Auszüge, in denen es heißt: "Gott bringt Harmonie in den Menschen hervor, die Seinen Geist erfahren und Seinen Geboten folgen.

Heute werde ich innerlich immer harmonischer und komme immer mehr in Einklang mit der ganzen wunderbaren Schöpfung Gottes.... Es gibt Perioden der Dunkelheit, aber die Sterne funkeln, egal wie schwarz die Nacht ist. Es gibt Störungen, aber ich habe gelernt, daß eine Einsicht kommen wird, wenn ich nach Geduld und Aufgeschlossenheit strebe. Und mit der Einsicht kommt die Führung durch Gottes Geist. Die Dämmerung kommt und mit ihr noch tieferes Verständnis, der Friede, welcher höher ist als alle Vernunft, und die Freude am Leben, die weder durch die wildesten Umstände noch durch die Menschen um mich herum gestört werden kann."

Die Gewinne aus dem Leben nach den Zwölf Schritten vervielfachen sich, wenn wir sie mit anderen teilen. Wir wissen daß wir sie teilen müssen, denn wir können die spirituellen Gaben von AA nicht mißachten und gleichzeitig eine zufriedene Nüchternheit genießen.

Jeder würdige Gedanke, der in die Tat umgesetzt wird, bringt uns einen Schritt näher an Gott heran. Jeder einzelne der Zwölf Schritte führt in diese Richtung. Sie sind wie Steinterrassen auf denen wir langsam voranschreiten und zu immer höherem Bewußtsein Seiner Gegenwart hinaufsteigen. Sie sind die Mittel, durch die wir eine bewußte Verbindung mit Ihm schaffen. Sie stehen als spirituelles Bollwerk zwischen uns und einem Leben der Verzweiflung und Trunkenheit. Durch die Anwendung der Schritte gewinnen wir das unbezahlbare Juwel zufriedener Nüchternheit. Es gehört uns, solange wir es bereitwillig mit anderen Alkoholikern teilen, die aufrichtig unsere Hilfe suchen.

Zweiter Abschnitt

„ ... wir versuchten, diese Botschaft an Alkoholiker heranzutragen ...“

Die Botschaft von AA an Alkoholiker heranzutragen, die unsere Hilfe suchen, ist anscheinend ein Mandat, eine "Bringe-Schuld", die den Mitgliedern unserer Gemeinschaft von Gott auferlegt wurde. Es ist die Voraussetzung, auf der AA gegründet ist.

Wir leisten diesen Dienst, und damit immunisieren wir uns dagegen, den ersten Schluck Alkohol zu trinken. Wir helfen Trinkern, die alle Hoffnung auf Genesung von ihrer alkoholsüchtigen Verfassung verloren haben, ihr Vertrauen in Gott und ihre körperliche Gesundheit wiederherzustellen. Diese spirituelle Begabung sollte nicht ignoriert werden.

Gott hat genesene Alkoholiker mit der besonderen Gabe betraut, andere Alkoholiker, die noch leiden, heilen zu können. Erziehern, Ärzten und Geistlichen wurde diese Gabe  selten geschenkt; sie wurde uns vergönnt, damit wir unser Recht  auf ein nüchternes, normales Leben geltend machen können, indem wir anderen Alkoholikern helfen, von ihrer Krankheit zu genesen.

Vorausgesetzt, wir übernehmen die Verantwortung, die Botschaft weiterzutragen, so halten wir es nicht für anmaßend,  einen allgemeinen Überblick über Sponsorschaft von Neulingen in AA zu geben.

Die nachfolgenden Empfehlungen basieren auf den Ratschlägen, die wir im siebten Kapitel von Alkoholics Anonymous fanden, sowie auf den Erfahrungen erfolgreicher AA-Mitglieder die diese Ratschläge befolgten.

Aus diesen Erfahrungen haben wir gelernt, daß eine echte Konzeption die der Verpflichtung des Zwölften Schrittes gerecht werden soll, sehr breit angelegt sein muss, um ihren Zweck zu erfüllen.

Es verhilft uns zu einer bewußten Klarstellung, wenn wir zwischen dem alltäglichen Akt der Weitergabe der Botschaft und den viel komplexeren Pflichten der Sponsorschaft unterscheiden scheiden, die im Big Book als "die Arbeit mit anderen"  bezeichnet wird. Letzteres wird in einem späteren Abschnitt dieses Kapitels erörtert.

Wir können ohne weiteres einsehen, daß ein Mitglied, das sich als Sponsor einsetzt, die Botschaft weiterträgt. Ein Mitglied kann jedoch die Botschaft auch weitergeben, ohne der Sponsor eines anderen Alkoholikers zu sein. Eigentlich wird bei AA viel mehr Zeit für derartige Aktivitäten verwendet als für Sponsorschaft.

Diese Arbeit dient im besten Sinne dem Interesse unserer Gemeinschaft. Es gibt für jeden etwas zu tun, einschließlich für Neulinge, die sich vielleicht noch zu unerfahren fühlen, um irgendwie behilflich zu sein.

Es gibt viele Möglichkeiten, die Botschaft neben der Sponsorschaft weiterzutragen. Einige dieser Betätigungen erscheinen in der folgenden Liste:

1)      Die überzeugendste Botschaft, die wir an andere Alkoholiker weitergeben können, ist das eigene Beispiel von zufriedener Nüchternheit.

2)      Wir können mit älteren Mitgliedern telefonieren, die ein neues Mitglied als Sponsor betreuen.

3)      Wir können durch regelmäßige Anwesenheit im Meeting ein gutes Beispiel geben und auswärtige Meetings besuchen, wenn wir auf Reisen sind.

4)      Wir können Krankenhäuser anrufen und nach potentiellen, zukünftigen Mitgliedern fragen.

5)      Wir können neue Mitglieder anrufen.

6)      Wir können nach dem Meeting mit anderen Leuten freundliche Gespräche führen, insbesondere mit Neuen oder mit denjenigen, die Schwierigkeiten haben, nach dem Programm zu leben.

7)      Wir können das Buch Alcoholics Anonymous besitzen und andere Alkoholiker ermutigen, es zu erwerben und zu studieren, um AA zu verstehen.

8)      Wir können unsere Bücher verleihen oder aus dem Literaturbestand der Gruppe an Interessierte weitergeben.

9)      Wir können Dienste und Pflichten übernehmen, die unsere Gemeinschaft fördern.

10)  Wir können mit Angehörigen oder Freunden von nassen Alkoholikern sprechen (- ihnen erklären, daß Alkoholismus eine Krankheit ist und wie wir sie mit AA zum Stillstand bringen können).

11)  Um das Ziel von AA zu fördern oder weitere Mitglieder zu gewinnen, können wir unsere AA-Geschichte an Geistliche, Ärzte, Juristen, Erziehe!; Arbeitgeber und Polizeibeamte weitererzählen, falls wir sie gut genug kennen.

12)  Wir können vor anderen Gruppen sprechen oder Meetings in unserer Stammgruppe durchführen.

13)  Wir können der Gemeinschaft einen vernünftigen Beitrag an Energie, Zeit und Geld zukommen lassen.

14)  Wir können deutlich unseren Glauben zum Ausdruck bringen, daß wir Hilfe von einer Höheren Kraft bekommen haben.

15)  Wir können AA zu unserer Lebensweise machen.

 

Sponsorschaft

Die Arbeit mit anderen Alkoholikern

 

Sponsorschaft stellt die höchste Form der Weitergabe von AA dar. In diesem Akt der Anteilnahme teilen Menschen, die eine Gnadenfrist vor dem Wahnsinn oder Tod des Alkoholismus erhalten haben, ihre Genesung mit anderen, die der gleichen Strafe entkommen möchten. Dies ist kein reiner Akt Wohltätigkeit, denn wenn wir unsere Hilfe zurückhalten, bedeutet das, daß wir unsere eigene Gnadenfrist verlieren. Sponsorschaft ist der dynamische Faktor des Wachstums von AA, und sie erfüllt drei klare Voraussetzungen:

 

1)      Sie hilft uns, eine zufriedene Nüchternheit zu erhalten.

2)      Sie hilft anderen, ihren Alkoholismus zum Stillstand zu bringen.

3)      Sie tötet Selbstgefälligkeit ab und füllt die Reihen unserer Gemeinschaft zunehmend auf.

 

Der Arbeit mit anderen liegt ein gesundes Prinzip zugrunde, denn sie basiert auf dem zeitlosen Grundsatz: "Gib und du wirst erhalten."

 

Die Arbeit im Zwölften Schritt vervollständigt unsere Persönlichkeit und fördert unsere spirituelle Entwicklung. Wir können nicht Tag für Tag die Rolle eines praktischen Helfers und guten Beraters spielen und diese Taten in Anonymität verhüllen, ohne letztendlich dadurch unseren Charakter zu verbessern.

 

Desgleichen erhalten wir reichhaltige spirituelle Segnungen, wenn wir leidenden Alkoholikern selbstlos unsere Zeit und Erfahrung widmen. Diese Belohnungen sind nicht materiell greifbar, aber von unschätzbarem Wert, denn sie bringen uns Seelenfrieden, Selbstachtung und Nüchternheit.

 

Im Big Book wird in der Tat sehr stark betont, wie lebensnotwendig es für uns ist, die Botschaft weiterzugeben, denn dort heißt es: " ... das sind Erfahrungen, die du nicht missen solltest." Sponsorschaft erfüllt unser Bedürfnis nach aktivem Dienst und hilft uns, nüchtern zu bleiben.

 

Mitglieder, die diesen Dienst zu leisten versuchen, stehen der verwirrenden Frage gegenüber: "Wie gehen wir am besten mit Sponsorschaft um?" AA gibt keine klare Antwort auf diese Frage. Jedes Mitglied muß seine eigene Methode entwerfen. Die Ergebnisse sind Unentschiedenheit und häufig gegensätzliche Ansichten über die richtige Verfahrensweise.

 

Es gibt viele Vorgehensweisen, sowohl gute als auch schlechte, aus denen wir den richtigen Weg heraussuchen können. Manche Sponsoren legen eine Toleranz an den Tag, die bis zu schädlicher Nachgiebigkeit geht, andere sind Evangelisten. Da ist der "immer-mit-der-Ruhe-Typ", der schon zufrieden ist, wenn er seinen Schützling ins Meeting bringt. Andere nehmen es mit ihren Forderungen genauer. Sie arbeiten nur mit wirklichen Alkoholikern und bestehen darauf, daß ihre Kandidaten voll und ganz mitarbeiten, indem sie versuchen, die Zwölf Schritte von AA zu verstehen und anzuwenden.

 

Ohne einen guten Sack voller Sachkenntnisse und ohne praktische Erfahrung, auf die sich zurückgreifen läßt, wäre das Fehlen von festgesetzten Regeln oder einheitlichen Plänen für die Arbeit mit anderen äußerst frustrierend für die Mitglieder, die niemals zuvor als Sponsor tätig waren.

 

Glücklicherweise wird kein Mitglied verwirrt oder unwissend über die Technik der Sponsorschaft bleiben, wenn es das Big Book studiert. Dort stehen alle Antworten. Sie sind allerdings in verschiedenen Kapiteln zu finden: "Die Arbeit mit anderen", "Die Meinung des Arztes", "Ein Ausweg für Sie", "Es gibt eine Lösung", "Die Familie danach" und in 43 Lebensgeschichten von genesen(d)en Alkoholikern [in der amerikanischen Ausgabe von Alcoholics Anonymous].

 

Es ist nicht schwierig, eine erfolgreiche Methode der Sponsorschaft zu begründen, wenn wir den Anregungen folgen, die wir in diesen Kapiteln bekommen. Wir sind nicht allein auf den Glauben angewiesen, wenn wir eine Sponsorschaft übernehmen. Wir können uns ohne Gefahr auf die Erfahrung unsrer Gründer beziehen, denn die AA-Gemeinschaft bietet den Beweis dafür, daß ihr Plan etwas bewirkt.

 

In den vorliegenden Richtlinien zur Sponsorschaft stützen wir uns freimütig auf ihre Ratschläge und bauen stark auf ihre Erfahrung, in der Hoffnung, daß sie denjenigen helfen werden, die mit anderen Alkoholikern arbeiten.

 

Der Sponsor

 

Eine ehrliche Interpretation des Zwölften Schrittes erlaubt keine Abweichung von seinen Prinzipien. Aus der einfachen Formulierung des Schrittes ergibt sich sein Inhalt. Er faßt die Befähigungen eines Sponsors zusammen. Er stellt die Art von Menschen fest, mit denen wir arbeiten werden, und deutet auf eine Lebensweise hin, die uns zur zukünftigen Sponsorschaft befähigt.

 

Die ersten Voraussetzungen zur Sponsorschaft sind Nüchternheit und ein Persönlichkeitswandel, basierend auf einer handfesten Vorstellung von Gottes Willen. Wir erfüllen diese Voraussetzungen, indem wir die Zwölf Schritte durchleben. Infolgedessen kennen wir das AA-Programm und das Ziel des

Zwölften Schrittes. Das erreichen wir, indem wir mit einer bestimmten Gruppe von Menschen arbeiten, nämlich mit Alkoholikern.

 

Wenn wir diesem Plan folgen, kommen wir mit unseren Schützlingen zum Erfolg. Weichen wir davon ab, riskieren wir Mißerfolg und AA-Kopfschmerzen. Manche Mitglieder sagen, jedes mal, wenn wir eine Sponsorschaft antreten, stellen wir uns auf die Probe. Von der Qualität unserer Nüchternheit und der Art, wie wir sie mit anderen Alkoholikern teilen, könnten gewissermaßen das Leben des Neulings und die Zukunft von AA abhängen.

 

Die Arbeit mit anderen ist für AA und seine Schützlinge eine Angelegenheit auf Leben und Tod. Zuerst suchen sie bei uns Rat und Hilfe, um ihr Trinkproblem zu überwinden; dann achten sie auf das AA-Programm, um ihr Leben wieder in Ordnung zu bringen.

 

Jüngere Mitglieder können sich auf eine Sponsorschaft vorbereiten, indem sie sich mit dem siebten Kapitel und anderen Abschnitten im Big Book, die davon berichten, eingehend befassen. Da es ihnen an Sachkenntnis fehlt, werden sie ihren Erfahrungsmangel durch die Kenntnisse und die Begeisterung wettmachen müssen, die ihnen ältere Mitglieder vermitteln. Das bringt uns auf eine wichtige Ebene für die Weitergabe der Botschaft, auf die wir hier kurz eingehen wollen.

 

Doppelte Sponsorschaft

 

Der Wert einer doppelten Sponsorschaft wurde von vielen Gruppen erkannt. In einigen Gruppen gehört es bereits zur gängigen Praxis. Beispiele für ihre Wirksamkeit gibt es seit den ersten Anfängen von AA.

 

Bill W. hatte wenig Erfolg mit Alkoholikern, bis er gemeinsam mit Dr. Bob mit ihnen zu arbeiten begann. Heute ist die Notwendigkeit für doppelte Sponsorschaft ebenso dringend wie damals.

 

Zu ihren Vorteilen gehören Dinge wie Gefasst sein, Sicherheit durch zahlenmäßige Überlegenheit, Wirksamkeit, gute Darstellung des Programms und bessere Weiterverfolgung.

 

Vom Standpunkt des Gefasst seins her können zwei Mitglieder den Ablauf der Aktion besser planen und folgerichtig durchführen. Zu zweit vermindern wir die Rückfallgefahr und versorgen gleich zwei junge Mitglieder mit Arbeit. Der Hilfesuchende bekommt zwei Ansichten von AA, und die weitere Durchführung kann umfassender gestaltet werden.

 

Ältere Mitglieder, die viele Erfolge ihrer Arbeit aufweisen können, betätigen sich niemals allein als Sponsor. Sie rufen meist ein jüngeres Mitglied auf, ihnen zu helfen und bestehen darauf, vor dem Einsatz das siebte Kapitel zu lesen, wenn es sich nicht gerade um einen dringenden Notfall handelt. Die Ergebnisse sind nicht nur für den Hilfesuchenden, sondern auch für das junge Mitglied selbst recht hilfreich, denn es ist eine praktische Gelegenheit, Erfahrungen für zukünftige Sponsorschaften zu sammeln.

 

Wörtlich definiert ist ein Sponsor jemand, der sich freiwillig verpflichtet, Verantwortung für andere Menschen oder ein Projekt zu übernehmen und deren Mängel auszubügeln. Die AA-Interpretation weicht davon insofern ab, daß wir uns verpflichten, dem Neuling durch Unterweisung in einer neuen Lebensweise zu helfen, selbst Verantwortung zu tragen und seine Mängel von Gott ausbügeln zu lassen.

 

Diejenigen von uns, die Sponsorschaften betreiben, verbessern das Schema ihrer Vorgehensweise mit jeder neuen Erfahrung. Es gibt viel darüber zu lernen, wie einem "Alkoholiker, der noch leidet" zu helfen ist. An erster Stelle steht dabei vor allem das Erkennen der Qualität unserer eigenen Nüchternheit.

 

In dieser Hinsicht sollten wir gegenüber unserer eigenen Entwicklung kritisch eingestellt sein, denn es ist unmöglich, etwas weiter zu schenken, was wir nicht haben.

 

Andererseits ist es unmöglich, AA mit Alkoholikern zu teilen die unsere Hilfe ablehnen - selbst wenn wir die besten Qualifikationen besitzen. Jeder Versuch wäre zwecklos. Wir lassen sie für eine Weile fallen, halten ihnen jedoch die AA-Tür offen, damit sie sich eventuell später an uns wenden können, falls sie einen Gesinnungswandel durchmachen.

 

In Anbetracht dieses Gesichtspunktes der Sponsorschaft scheint es notwendig zu sein, daß Mitglieder bestimmte Eigenschaften mitbringen müssen, um für eine Mitgliedschaft in Frage zu kommen. Das ist in der Tat der Fall, die Bedingungen sind jedoch äußerst eingeschränkt. Für jeden Alkoholiker gilt: "Die einzige Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören."  In einigen speziellen Gruppen gibt es zusätzlich geringfügige Vorbedingungen

für die Mitgliedschaft, doch die Grundvoraussetzung ist überall die gleiche.

 

Ein weiterer bedeutsamer Beitrag zur Sponsorschaft, mit dem mehrere Mitglieder die Botschaft gemeinsam weitergeben können, ist die Neugründung von Gruppen oder die Arbeit mit Schwächeren. Wir brauchen diesen Dienst, der uns seinerseits stärkt, indem er unseren Mitgliedern ein konstruktives Ventil verschafft, durch das sie ihren latenten AA-Dampf ablassen können.

 

Obwohl sich Sponsor und Schützling die Gewinne aus der "Arbeit mit anderen" gegenseitig teilen - gleichgültig, ob es um eine Einzelperson oder um eine Gruppe geht – denken wir selten an uns selbst, wenn wir einen Einsatz im Zwölften Schritt unternehmen.

 

Darin liegt eine grundsätzliche Tugend der Sponsorschaft: Sie bedeutet den vorübergehenden Verlust von Selbstsucht. Diese Einstellung, die durch den Wunsch hervorgerufen wird. unsere Genesung mit anderen Alkoholikern zu teilen, ist ein Zeichen für ein gesundes AA-Wachstum. Wenn wir teilen. wächst unser AA-Format und erhöht unsere Chancen für ein glückliches, nüchternes Leben.

 

Jedes AA-Mitglied ist ein potentieller Sponsor und die meisten Mitglieder  streben eine erfolgreiche Sponsorschaft an. Unser größtes Bestreben besteht darin, anderen Alkoholikern bei der Genesung von ihrer Krankheit zu helfen. Oft wird unsere Mühe mit Erfolg belohnt, aber wir lassen uns nicht entmutigen, wenn der Schützling in der Zusammenarbeit versagt. Wir müssen vielen Hilferufen nachgehen, bevor wir einen Alkoholiker finden, der verzweifelt genug ist, um AA zu akzeptieren. Es ist unsere Pflicht, sie zu finden. Wie wird das getan? Wie können wir sie ausfindig machen?

 

Auffinden von potentiellen Mitgliedern

 

Ein erfolgreicher und einheitlicher Plan, um Anwärter für AA aufzuspüren und die zukünftige Arbeit konstruktiv zu gestalten, kann sehr leicht von jeder fortschrittlichen AA-Gruppe ausgearbeitet werden. Solch ein Plan wird im siebten Kapitel des Big Book ausführlich beschrieben. Verständige Mitglieder werden es gutheißen, ihn als maßgeblichen Leitfaden für Sponsorschaft einzuführen. So können alle Mitglieder mit vereinten Kräften arbeiten, und allen steht die Urquelle der

Erfahrung unserer Gründer gleichermaßen zur Verfügung.

 

Es gibt viele Möglichkeiten, um potentielle Mitglieder zu erreichen. Breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit von AA ermöglicht die Kontaktaufnahme per Telefon oder durch schriftliche Anfragen. Dieser wichtige Dienst hat stark zum Wachstum unserer Gemeinschaft beigetragen. Am Wert dieses Dienstes besteht kein Zweifel, doch wenn wir uns darauf allein verlassen, werden die Mitgliederzahlen rückläufig.

 

Wenn wir die ursprünglichen Quellen, mit denen unsere Gründer begannen, weiter gedeihen lassen wollen, müssen Mitglieder die Botschaft weitertragen, um das Wachstum von AA zu fördern und persönliche Erfahrung sammeln.

 

Wie läßt sich das bewerkstelligen? Die Antworten findest du im Big Book. Lies den dritten Absatz in dem Kapitel über "die Arbeit mit anderen". Da heißt es: "Vielleicht kennst du keine Trinker, die genesen wollen. Du kannst leicht welche finden, indem du ein paar Ärzte, Geistliche, Priester und in Kliniken fragst."

 

Derartige Mühe wird durch gute Beziehungen zur Öffentlichkeit belohnt und früher oder später Anfragen von hilfesuchenden Alkoholikern auslösen, die AA brauchen. Wir gewinnen aus diesen Notrufen am meisten, denn wir waren an ihrer Ermöglichung beteiligt.

 

Wenn wir Ärzte, Geistliche, Juristen, Polizeibeamte und Industriemanager über die Art von Menschen, denen AA helfen kann, genau unterrichten, können wir vermeiden, daß unsere Reihen mit einem unnötigen Zustrom von Nichtalkoholikern überflutet werden.

 

Die Möglichkeit, durch Erkundigungen von Familienangehörigen des Alkoholikers neue Anwärter für das Programm ausfindig zu machen, wird oft übersehen. Wenn ein Alkoholiker nicht an AA teilhaben will, können wir dennoch die Botschaft an die nachforschenden Verwandten weitertragen.

 

Diejenigen, die hilfesuchend anfragen, haben das Recht auf eine Erklärung unseres Leidens, des Alkoholismus. Wir sollten ihnen "von den Zwölf Schritten erzählen und wie das Programm bei dem süchtigen Familienmitglied etwas bewirken kann, falls der Betreffende es annehmen will. Sie werden Mittel und Wege finden, den Alkoholiker aufzuklären.

 

Überlaß ihnen das AA-Buch, denn damit wirst du ein Samenkorn in ihrem Bewußtsein eingepflanzt haben, das in der Zukunft vielleicht einen guten Anwärter für AA heranwachsen läßt.

 

Weitere Quellen für den Zuwachs neuer AA-Mitglieder können durch Presse, Funk und Fernsehen erschlossen werden.

 

Dabei müssen wir Taktgefühl und ein gutes Urteilsvermögen an den Tag legen, denn überhaupt keine Öffentlichkeitsarbeit ist weitaus besser als eine schlechte Publicity die Alkoholiker vom AA-Lebensweg abhalten könnte. In Verbindung mit allen Kontakten zur Öffentlichkeit sollte unser Prinzip der Anonymität gründlich klargestellt sein. Wir sind verpflichtet, darauf zu achten, daß die Anonymität respektiert wird.

 

Jede Gruppe sollte ihre Ziele und Motive überdenken, bevor sie ein Programm für Öffentlichkeitsarbeit herausgibt.

 

Wir müssen unsere persönliche Anonymität in den Medien wahren. Motivationen, die von dem Wunsch getragen werden, AA oder seine Mitglieder in den Himmel zu heben, sind grundsätzlich falsch. Unser Ziel heißt Dienen. Durch das Prinzip der Anziehung können wir dazu beitragen, daß die Menschen, die am Alkoholismus leiden, ihren Weg zu AA finden.

 

Hilfreiche Hinweise für Sponsoren

 

Die folgenden Empfehlungen stammen aus den Angaben, die im siebten Kapitel des Big Book zu finden sind. Wir vertrauen darauf, daß sich diese ergänzende Anleitung hier beim Studium dieses Kapitels als hilfreich erweisen wird. Mit Sicherheit ist das Eindrucksvollste, was wir dem neuen Anwärter zu bieten haben, unser eigenes Beispiel eines nüchternen, glücklichen und sinnvollen Lebens.

 

Vergegenwärtige dir, daß der Anwärter an Körper, Kopf und Geist [spirit] erkrankt ist. Da wir selbst Alkoholiker sind wie er, können wir die unsichtbaren Abwehrmauern dieses kranken Menschen am leichtesten durchdringen und ihm selbst dann noch helfen, wenn alle anderen längst das Handtuch geworfen

haben.

 

Alkoholiker verniedlichen ihre Trinkerei, wenn sie in Anwesenheit von Angehörigen befragt werden, also sieh zu, daß du mit ihnen allein sprechen kannst. Die Familienangehörigen können zusätzliche Tatsachen später einfügen. Um Alkoholikern helfen zu können, müssen wir ihre Art zu trinken, ihre Angewohnheiten, ihre Hobbys, ihre Religion, ihren Beruf und ihre finanzielle Lage kennen und außerdem wissen, wie viel Rückhalt von der Familie zu erwarten ist.

 

Wenn ein Alkoholiker stationäre Krankenhausbetreuung braucht, können wir ihm zur Aufnahme verhelfen, indem wir die notwendigen Vereinbarungen treffen.

 

Mehrere von uns sollten ihm ihre Geschichte erzählen und den Neuling dazu bringen, seine ebenfalls zu erzählen. Wir erzählen ihm, wie AA etwas bewirkt, wie es etwas für uns bewirkt hat und wie es etwas für ihn bewirken kann. Wir vermeiden es jedoch, ihn mit bedrohlich, erhobenem Zeigefinger bekehren zu wollen. Hebe die Anonymität hervor und bezeichne Alkoholismus als Krankheit.

 

Wenn die betreffende Person glaubt, daß sie ein Alkoholiker ist und sich zu unserer Gemeinschaft hinzugesellen will, dann empfiehl unbedingt die Lektüre des Big Book. Überlaß dem Neuling das AA-Buch, wenn er daran interessiert ist. Lege ihm nahe, daß er dich nach dem Lesen anruft oder suche ihn nochmals auf. Wir sollten jedoch niemanden dazu drängen, AA beizutreten. Überlasse es dem Alkoholiker, selbst danach zu fragen.

 

Der Neuling sollte über den spirituellen Gesichtspunkt von AA Bescheid wissen, insbesondere darüber, daß es sich nicht um eine bestimmte Religion oder konfessionelle Organisation handelt, sondern um die eigene Vorstellung jedes Einzelnen von "Gott, wie wir Ihn verstehen".

 

Wenn der Neuling AA nur beitreten will, um seine Familie zu beruhigen, dann rate ihm von diesem Gedanken ab. Erkläre ihm, warum das nichts nützt. Weise darauf hin daß Alkoholismus eine Krankheit ist, und daß der Betroffene davon genesen muß; er oder sie ist krank und nicht die Familie.

 

Die Familienangehörigen des Alkoholikers sollten nicht außer acht gelassen werden. Erzähle ihnen, warum das AA-Programm bei dem Betroffenen ein Teil des täglichen Lebens werden muß. Fordere sie zur Mitarbeit auf. Das macht oft den Unterschied zwischen Erfolg und Fehlschlag aus.

 

Probleme, die mit dem Verleihen von Geld, der Unterbringung des Alkoholikers bei uns zu Hause, Scheidung, Familienstreitigkeiten, seiner spirituellen Entwicklung und dem Meiden von Orten, an denen getrunken wird, zusammenhängen, werden auf den Seiten 96-103 [Deutsche Ausgabe: S. 112-120] im siebten Kapitel des Big Book behandelt. Es ist am besten, wenn wir uns damit eingehend befassen, um auf solche Fälle vorbereitet zu sein.

 

Nimm die kranke und einsame Verfassung des Alkoholikers Kenntnis. Sei freundlich, aber verwöhne den betreffenden Menschen nicht. Handle in jedem Fall mit Vernunft. Obwohl wir den Neuen vielleicht in die ersten Meetings begleiten mögen, sollten wir das bewußt nicht zur festen Gewohnheit werden lassen. Betone, daß die Anwesenheit in Meetings unsere Not wenden kann. Stelle diese Möglichkeit als ein lebensspendendes Privileg dar, von dem uns nichts in der Welt abhalten darf.

 

Dein Schützling schenkt dir Vertrauen: Erweise dich dessen würdig. Schenke dem betreffenden Menschen eine weise Beratung und empfiehl ihm, sich seines eigenes Big Book zu verschaffen. Achte darauf, daß sich dein Schützling damit befaßt, um ein besseres Verständnis der neuen Lebensweise zu erlangen. Ein Blaues Buch, das nach zwei Jahren im Bücherschrank oder in einer Schublade immer noch wie neu aussieht, hat seinen Zweck verfehlt.

 

Bringe dem Neuling bei, wie wertvoll es ist, nach den Zwölf Schritten zu leben und sich in der Genesung auf Gottes Hilfe zu verlassen. Neulinge sollten sich nicht zu stark auf uns stützen dürfen, sonst könnten sie versäumen, genug eigene AA-Stärke zu entwickeln, um mit unserem Programm zum Erfolg

zukommen.

 

Rat für den Neuling

 

Die besten Resultate erzielst du, wenn du dich selbst als Patient bei AA betrachtest, der dort eine unheilbare Krankheit zum Stillstand bringen kann. Beschließe, daß du das Beste aus der Behandlung herausholen willst. Halte dich an die Theorie daß AA ohne dich leben kann. Aber du kannst nicht leben ohne den Geist des AA-Programms und ohne andere Menschen, die dich begleiten. Vermeide es, an deinen Sponsor unzumutbare Anforderungen zu stellen. Weder er noch deine Gruppe können dich vom Trinken abhalten. Komme niemals auf den Gedanken, daß dein Sponsor verantwortlich sei, falls du einen Rückfall baust, oder daß du ihm damit eins auswischen könntest. Du selbst bist der Mensch, der darunter zu leiden hat. Letztlich kann nur Gott dich nüchtern machen und erhalten - wenn du Ihn läßt.

 

Beschaffe dir ein Big Book und befolge die darin enthaltenen Ratschläge und Anweisungen. Es wäre ausgesprochen dumm, wenn du annimmst, du könntest vom Alkoholismus genesen, ohne eine Anleitung zu benutzen, die Richtlinien für die Genesung enthält.

 

Nimm davon Abstand, die Anwendung der Zwölf Schritte in deinem Leben durch das Nachplappern von Aussagen, die du von anderen hörst, zu ersetzen, denn sonst wirst du das Programm bis zu dem Punkt verwässern, an dem du wieder trinkst.

 

Nimm AA nicht auf die leichte Schultet Es könnte deine letzte Chance für geistige Gesundheit und Nüchternheit sein. Deine Entscheidung, nach dem AA-Programm zu leben – oder nicht, ist äußerst wichtig. Die ganze Sache steht und fällt mit dem Dritten Schritt. Laß nicht zu, daß Dir etwas anderes wichtiger

wird als Deine Genesung. Denn wenn Du weitertrinkst, wirst du dieses andere sowieso verlieren - eher früher als später. Gehe mit Ehrlichkeit, Demut, Aufgeschlossenheit, Bereitwilligkeit und Dankbarkeit an die Arbeit im Programm heran.

 

Dritter Abschnitt

"... und diese Prinzipien in all unseren

Angelegenheiten zu praktizieren.

 

Die Prinzipien der Zwölf Schritte ergeben im Zusammenhang eine logische und erträgliche Lebensweise, die bei hoffnungslos erkrankten Alkoholikern Gesundheit, Glück und Nüchternheit wiederherstellt.

 

Hunderttausende von Mitgliedern, die vom Alkoholismus genesen konnten, sind der lebendige Beweis dafür, daß das Programm für diejenigen Menschen etwas bewirkt, die es anwenden.

 

Wir arbeiten täglich für unsere Genesung, und das ist alles, was wir erwarten. Die Erfahrung hat uns gelehrt, daß wir nie wieder normal trinken können.

 

Unser Erbrecht auf ein geistig gesundes Leben bleibt uns verweigert, bis wir unsere Krankheit voll und ganz anerkennen und unseren Alkoholismus als körperliche, psychische und spirituelle Krankheit zu behandeln beginnen.

 

Wir erhalten wieder Anteil an der Fülle des Lebens, die Gott uns zugedacht hat, wenn wir:

 

1)      unsere körperliche und geistige Krankheit eingestehen und für Genesung arbeiten.

2)      die Hilfe von "Gott, wie wir Ihn verstehen" anstreben, um unseren krankhaften spirituellen Niedergang zu stoppen.

3)      uns mit unseren Charakterfehlern befassen und sie in Hinblick auf ihre Berichtigung genau bestimmen.

4)      die Natur dieser Fehler Gott und uns selbst zugeben und mit einem anderen Menschen darüber sprechen.

5)      uns auf die Zwölf Schritte verlassen, damit sie uns mit achtbaren Beweggründen beseelen.

6)      die Verletzungen eingestehen, die unsere Trunksucht anderen Menschen aufgebürdet hat.

7)      Gottes Vergebung für diese Taten erbitten und bei den Menschen, die wir geschädigt haben, Wiedergutmachung leisten.

8)      die Gewohnheit entwickeln, unsere Fehler zuzugeben und unsere Charaktermängel von Gott korrigieren zu lassen.

9)      unsere Beziehungen zu Gott verbessern, ausbauen und versuchen, Seinen Willen auszuführen.

10)  die Erfahrung unserer Genesung mit anderen Alkoholikern teilen, die nach Hilfe suchen,

11)  die Lebensweise von AA zu unserer zweiten Natur machen, indem wir "diese Prinzipien in all unseren Angelegenheiten anwenden".

12)  Genesung vom Alkoholismus ist auf täglicher Basis möglich, vorausgesetzt, wir sind so verzweifelt, daß wir weit genug gehen, um gesund zu werden.

 

Wir können "nur durch eine Haltung voller Intoleranz und feindseliger Ablehnung zu Fall gebracht werden ... Bereitschaft, Ehrlichkeit und Aufgeschlossenheit sind das Wesentlichste bei der Genesung. Nur sie sind unentbehrlich."

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