VIERTER SCHRITT Machten eine erforschende und furchtlose moralische Inventur von uns selbst. Der Zweck der Bestandsaufnahme besteht darin, die schädlichen Charakterzüge der Alkoholikerpersönlichkeit aufzudecken und von der neuen Persönlichkeit auszuklammern, die wir mit Hilfe der neuen Lebensweise nach dem AA-Programm zu entwickeln beabsichtigen. Der Gebrauch des AA-Begriffs Persönlichkeit setzt sich mit der Entwicklung neuer Charakterzüge auseinander, die für die Genesung vom Alkoholismus notwendig sind. Er bezieht sich nicht auf die persönliche Anziehungskraft, die von körperlicher Gesundheit, Schönheit oder Charme ausgeht. Wir messen die AA-Persönlichkeit an der Reife, die sich etwa durch folgende Qualitäten kundtut: Stärke und Verständnis von einer Kraft, die größer ist als wir selbst; Aufgabe der Egozentrik, Anwendung von Ehrlichkeit, Demut, Dankbarkeit, Vergebung, Bereitwilligkeit beim Zugeben von Irrtümern, Leistung von Wiedergutmachung, Dienst an anderen und das Beispiel eines glücklichen, nüchternen Lebens. Bevor wir eine Entwicklung von Tugenden erhoffen können, die eine wünschenswerteAA-Persönlichkeit hervorbringen, müssen wir die Ursachen für unsere Machtlosigkeit gegenüber dem Alkohol entdecken, wir wollen wissen warum wir mit uns selbst auf Kriegsfuß standen; wir beabsichtigen, die Einschränkungen zu enthüllen und zu studieren, die der Alkohol unserem Leben auferlegt hat. Wir hoffen, die Grenzen der Alkoholsucht überschreiten zu können, unser unkontrollierbares Leben zu begradigen, also zügeln wir unsere Alkoholikerpersönlichkeiten. "Zuerst suchten wir die Fehler in unserer Maskerade heraus, die unser Versagen verursachten." Der Kern unseres Trinkproblems ist tief verankert; er betrifft egozentrische Angewohnheiten, körperliches Wohl, Emotionen, Fehlverhalten und falsche Auffassungen, die über Jahre hinweg erworben wurden. Sie haben unsere Geisteskraft untergraben, unseren körperlichen Widerstand geschwächt und irrationalem Denken und Handeln Vorschub geleistet. Das hat uns extremes psychisches und körperliches Elend verursacht und anderen Menschen Angst und Leid gebracht. Es
ist unmöglich,
unseren Alkoholismus zum Stillstand zu bringen, solange wir
unsere Fehler nicht
kennen; deshalb unternehmen wir definitive Schritte zur
Korrektur unserer
körperlichen, psychischen und
spirituellen Behinderung. Genau das tun wir, wenn wir eine
erforschende und
furchtlose Anfänger müssen von der Menge der Fehler überwältigt sein, die sie entdecken werden und korrigieren wollen. Nur wenige von uns sind bereit und willens, all ihre Fehler aufzugeben. Das ist eine Gefahr, die wir bei diesem Schritt im Auge behalten müssen. An ein paar Fehlern möchten wir festhalten, und damit laden wir uns zukünftig Schwierigkeiten in Form einseitiger Schmalspurgenesung auf, was nicht das Ziel des AA-Programms ist. Dieser Schritt ruft zu einer gründlichen. Inventur auf. Unser Programm harmoniert nicht mit halben Sachen. Würden wir unseren Arzt bitten, einen Splitter oder Tumor nur halb zu entfernen? Vollständige Genesung ist unser Ziel, nicht halbherzige. Vorbehalte vereiteln diesen Zweck. Sie nehmen die Zufriedenheit aus unserer Nüchternheit. Wir wollen lieber nicht so dumm sein und deshalb eine hundertprozentige Bestandsaufnahme machen. Eine moralische Inventur von einem Leben im Suff läßt sich nicht husch-husch zusammenstellen, noch ist es eine Aufzeichnung, die sich einfach aus dem Ärmel schütteln läßt. Moralisch heißt "ehrlich". Wir sollen sozusagen eine Kerze anzünden und in den Keller unserer Seele hinabsteigen, um die brauchbaren und die unbrauchbaren Dinge durchzuzählen, auch die Trümmer und die sprichwörtlichen Leichen. Halten wir uns nicht mit dem Versuch einer sofortigen Bewertung auf. Das kommt später im 5. Schritt. Wir sollen den 4. Schritt schreiben, als ob es den fünften nicht gäbe. Und die Methode eine Inventurliste zu schreiben ist: sie zu schreiben. Zwar entdecken wir viele Komplikationen, die später noch eingehende Beschäftigung und Besinnung erfordern werden. Doch wir verzetteln uns nicht in Grübeleien, sondern schreiben. Der Bericht muß ehrlich, aufrichtig und gründlich sein. Wenn wir damit etwas bewirken wollen, muß es eine schriftliche Inventur sein, damit sie später überprüft und darauf Bezug genommen werden kann. Unsere Gedanken und Gefühle zu einzelnen Punkten im Sinne einer Selbsteinschätzung sind allenfalls ein Zusatz zur schriftlichen Inventur Sie ist zwar später notwendig, jedoch für sich allein nicht genug. Die Erfahrung hat uns gelehrt, daß dieser Schritt sofort begonnen und für spätere Verwendung offengelassen werden sollte, damit wir im Verlauf unseres psychischen und spirituellen Säuberungsprozesses neue Einzelheiten, die uns einfallen, hinzufügen können. Im Vergleich zu den Gedanken und der Zeit, die du brauchen wirst, um diesen Schritt auf dein Alkoholproblem anzuwenden, ist die kurze Erörterung einiger weniger Unvollkommenheiten, die in diesem Buch wiedergegeben wird, völlig unzulänglich. Für eine ausführliche Erörterung des Vierten Schrittes können wir auf die Seiten 63 [Deutsche Ausgabe: S. 74] bis Ende des Fünften Kapitels in Alcoholics Anonymous hinweisen. Auf diesen Seiten wirst du die Methode der Inventur beschrieben finden, für die sich die AA-Gründer aussprachen, nämlich eine Namensliste von Personen, Institutionen und Prinzipien in Tabellenform in Bezug auf Situationen in denen wir sauer waren und Groll hegten, und in gleicher Form eine Angst-Liste. Tabellen- Vordrucke und weitere Einzelheiten sind in dem Buch "Hocker und Flaschen" enthalten. Du wirst verschiedene Anzeichen von Egozentrik entdecken, die zweifellos die Wurzel deiner Schwierigkeiten sind, und einige dieser Symptome kommen in Form von Groll, Unehrlichkeit, Selbstmitleid, Eifersucht, Kritiksucht, Intoleranz, Angst und Ärger zum Ausdruck. Groll Groll tritt bei Alkoholikern häufig auf. Wir sind davor niemals sicher und so unbegreiflich es auch erscheinen mag, wirkt er sich auf materieller Ebene mit destruktiver Kraft und Energie aus. Groll ist für den Alkoholiker Dynamit. "Groll ist der Missetäter Nummer eins - das wird uns beim Studium des Buches Alcoholics Anonymous bewußt gemacht. "Er zerstört mehr Alkoholiker als alles andere. Auf ihn gehen alle Formen spirituellen Leidens zurück, denn wir sind nicht nur im Kopf und im Körper krank, sondern wir sind spirituell krank gewesen. Groll ist der reinste Trockenrausch. Wir müssen ihn psychisch und spirituell behandeln, um körperlich nüchtern zu bleiben. " ... Wenn wir mit Groll zu tun hatten, schreiben wir ihn auf. Wir machten eine Liste von Menschen, Institutionen und Prinzipien, auf die wir ärgerlich waren. Wir fragten uns, warum wir ärgerlich waren. In den meisten Fällen kam dabei heraus, daß unsere Selbstachtung, unsere Brieftaschen, unsere Bestrebungen [ambitions] oder unsere persönlichen Beziehungen (einschließlich Sex) verletzt oder bedroht waren. Also waren wir sauer [sore- böse]. Wir waren gereizt bis zur Weißglut. [burned-up] Schreibe Deine Groll-Liste. Entscheide außerdem, wen du zu dem Kreis von Menschen zählst willst, die du haßt und finde heraus, warum du daran festhältst. Ist dein Leben aufgrund dieses Grolls irgendwie glücklicher geworden? Waren sie die wahren Übeltäter? Die Gründer von Alcoholics Anonymous beantworten diese Frage mit einer eindeutigen Erklärung: "Ein Leben, das so von tiefem Groll geprägt ist, muß leer und unglücklich sein. So vergeuden wir die Stunden, die wir besser hätten nützen können.“ Sie erklären, daß Groll die Erhaltung und das Wachstum der spirituellen Erfahrung, die für den Alkoholiker die einzige Hoffnung ist, verkümmern läßt. Unehrlichkeit "Diejenigen, die nicht genesen, sind Menschen, die sich nicht vollständig diesem einfachen Programm hingeben können oder wollen, normalerweise Männer und Frauen, die durch ihre Veranlagung unfähig sind, ehrlich mit sich selbst zu sein." Unehrlichkeit bedarf kaum eines weiteren Kommentars. In unserem Programm ist kein Platz für sie. Wir müssen sie ausmerzen, sonst haben wir überhaupt keinen Erfolg. Ehrlichkeit vor dir selbst, vor Gott und anderen Menschen steht eingemeißelt auf den Grundpfeilern der AA-Brücke, die über den Abgrund von der Alkoholsucht zu dauerhafter, glücklicher Nüchternheit führt. Ohne Ehrlichkeit würde das AA-Programm zu einer unbeständigen, scheinheiligen, heuchlerischen Lebensweise führen, es würde sich auf die Genesung negativ und abträglich auswirken. Jegliche Form von Unehrlichkeit trägt dazu bei, die Abwehrkräfte gegen den ersten Schluck abzubauen, den ein Alkoholiker letztendlich trinken wird, wenn er oder sie nicht ehrlich sein kann. Kritiksucht Kritiksucht, eine Form von negativer Beurteilung, paßt überhaupt nicht in das Bild unserer Gemeinschaft. Sie ist das schwarze Schaf in der AA-Familie, ein krankhafter Träger von Streit und Aufruhr. Sie raubt uns unseren inneren Frieden und unsere zufriedene Nüchternheit. Wohlgemeinte Ratschläge können aufgrund ihrer Aufrichtigkeit äußerst hilfreich sein. Kritiksucht steht jedoch in bösem Gegensatz zu der AA-Persönlichkeit, die wir zu entwickeln suchen. Sie ist keine Geste der Zusammenarbeit, die freundschaftliches Interesse ausdrückt, sondern eher eine zerstörerische Macht, die Selbstmitleid, Eifersucht, Groll und Feindseligkeit erzeugt. Unser gemeinsames Interesse im AA-Programm ist Nüchternheit. Wo wir einem einzelnen Menschen oder einer Gruppe helfen, Nüchternheit zu erlangen oder zu erhalten, bleibt für Tadel kein Platz. Nörgelei und Klatsch zerstören die Ergebnisse konstruktiver AA-Bemühungen. Sie dienen keinem guten Zweck und sollten mit Toleranz und Verständnis unter Kontrolle gebracht werden, um unseren Hang zur Kritiksucht im Zaum zu halten. Wenn du unbedingt mit Kritik umgehen mußt, beschränke dich am besten auf Selbstkritik. Selbstmitleid Selbstmitleid wird von Alkoholikern im Allgemeinen nicht als besonders schädliche Emotion angesehen. Wir alle haben uns verschiedenen Arten von Selbstmitleid hingegeben. Die häufigste Form ist die Erfahrung, die wir während der Qualen eines Katers durchmachten. Echtes oder eingebildetes Unrecht, Gott spielen, Unglück und Krankheit bringen andere Formen von Selbstmitleid mit sich, die mit Groll und Haß verbunden sind. Selbstmitleid ist oft nichts weiter als totale Auflehnung gegen die Lebensumstände, die wir uns selbst eingebrockt haben. Dabei tun wir uns selbst Leid an und nehmen dem Leben gegenüber eine negative Haltung ein. Erst wenn wir einsehen, daß diese Emotion ein Anzeichen von Groll ist, erst wenn wir merken daß es uns die falsche Einstellung zum Leben und zu den Menschen beschert mit denen wir verkehren, erst dann verstehen wir, wie notwendig es ist, unser Selbstmitleid auszuschalten. Wir Alkoholiker müssen uns von jeder Form des Grolls befreien. Von der Einstellung und Dienstbereitschaft gegenüber anderen hängt unser ganzes Glück im Leben ab. Wir können es uns nicht leisten, uns dem Selbstmitleid zu unterwerfen denn es ist eng mit Groll und Minderwertigkeitsgefühlen verbunden. Es verschließt unser Bewußtsein gegenüber den gesunden, hilfreichen Möglichkeiten um uns herum und verzögert somit unsere Genesung vom Alkoholismus. Es fördert egozentrische Gedanken, doch unser Denken sollte auf Verständnis von Gott und die Schaffung einer intimen Beziehung zu Ihm ausgerichtet sein. Selbstmitleid läßt emotionale Reife und AA-Wachstum verkümmern. Dieser extremen Form von Egozentrik fehlt der Glaube, und sie steht im Gegensatz zu spirituellem Wachstum. Mit Gottes Hilfe streben wir eine Behandlung dieses höchst ernsten Charakterfehlers an. BEHANDLUNG: Selbstmitleid erkennen. Für die Lösung dieses Fehlers beten. Wertschätzung für unsere Nüchternheit pflegen. Gott dafür danken. Anderen Alkoholikern helfen. Dadurch entwickeln wir spirituelle Stärke, die Angst und Abhängigkeit verdrängt und schalten unser Selbstmitleid aus. Eifersucht Kaum ein Mensch entgeht diesem emotionalen Schreckgespenst. Sein Mantel und sein Hut sind Angst und Selbstmitleid. Seine Eingeweide sind Ärger, Groll und Frustration. Eifersucht auf den Wohlstand, die Persönlichkeit, das Talent oder den persönlichen Besitz eines anderen überfällt das menschliche Gemüt, bis sie es wie ein bösartiges Krebsgeschwür verletzt oder zerstört. Anfänger, die sich die Zeit für eine gründliche Untersuchung ihrer Eifersucht nehmen, entdecken in ihr eine Kombination all ihrer Lieblingsfehler wieder. Wir raten dir dringend, deine Eifersucht zu analysieren und dich mit dieser schädlichen Form der geistigen Trunkenheit vertraut zu machen. Suche nach den Leichen im Keller, die einen Alkoholiker zum zwanghaften Trinken verleiten können. Bei näherem Hinsehen wird sich ein verblüffendes Aufgebot von moralischen Fehlern zeigen. Sie mögen in milder passiver Form auftreten, doch sie sind alle da: Selbstmitleid, Groll, Intoleranz, Unehrlichkeit, Kritiksucht, Argwohn, Ärger. Bei dieser Durchsicht lernen wir, daß sie alle miteinander durch Angst und Frustration verknüpft sind. Wir tun gut daran, diese Gefühlswallung zu meiden, die so leicht die psychische Gesundheit eines Mitgliedes bedrohen kann und es zu Groll, bitterem Haß und Trunkenheit verführt. Intoleranz Mangel an Toleranz hat sehr viel mit dem bewußten ersten Schluck zu tun, dem der Alkoholiker unter bestimmten Umständen nicht widerstehen kann. Diese Voraussetzung bestand, wenn wir körperliche Schmerzen durchlebten, wenn die Wirklichkeit des Lebens zu viel Zeit und Energie von uns forderte, wenn wir starken psychischen Anspannungen ausgesetzt waren, wenn der Groll zu Hause oder bei der Arbeit unerträglich wurde, wenn die Geschäfte schlecht liefen, wenn wir durch Hyperaktivität übermüdet oder mit anderen aufwühlenden Umständen konfrontiert waren. Wir hatten das Gefühl, kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen und wollten diese Bedingungen nicht mehr tolerieren, also betranken wir uns. Wir sollten niemals die unerträglichen Kater vergessen, die Verzweiflung des zwanghaften Trinkens oder Gottes Hilfe bei ihrer Beseitigung. Bei allen Problemen brauchen wir erneut Hilfe. Wir dürfen nicht von Gott erwarten, daß Er sie über Nacht beseitigt. Es gehört zur Genesung, Toleranz zu üben. Sie fordert spirituellen Fortschritt und hilft uns, unsere Emotionen zu zügeln. Sie läßt eine zufriedene Nüchternheit heranwachsen. Für unsere Mitglieder sind Spuren von Intoleranz kein gutes Zeichen. Sie verweisen auf mangelndes Gleichgewicht und lassen Symptome eines labilen psychischen und spirituellen Zustandes erkennen. Eine tolerante Einstellung, soweit sie zumutbar ist, spiegelt unser Verständnis und unsere Praxis der AA-Philosophie als Lebensweise wider Alkoholiker haben die Toleranz ihrer Mitmenschen ständig mit Füßen getreten. In dieser Hinsicht haben sie viel wieder gutzumachen und sollten den Spieß sogleich umdrehen, indem sie Nachsicht zeigen, wo es angemessen ist. Toleranz am falschen Ort halten wir hingegen nicht für sinnvoll. Gott hat uns die Intelligenz gegeben, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Wenn wir falsche Gedanken und Taten tolerieren, halten wir das für ebenso schädlich, als wenn wir bei den richtigen Dingen intolerant sind. Besonnenheit ist bei dem Gebrauch von Toleranz notwendig, doch wenn wir das AA-Programm als Lebensweise .anwenden, werden wir merken, wie wir mit Menschen zu einer Übereinkunft gelangen, denen wir lange intolerant gegenüber standen. Toleranz gegenüber neuen wie auch alten Mitgliedern, die aufrichtig versuchen, nach diesem Programm zu leben, ist für unsere Genesung vom Alkoholismus wesentlich. Wenn sie ehrlich versuchen, AA zu ihrem Lebensweg zu machen schulden wir ihnen unsere Hilfe. Es ist nicht sehr klug, gegenüber Bedingungen, die wir nicht ändern können, intolerant zu werden. Das AA-Programm rät uns ein Verständnis von Gottes Willen zu erlangen. Die Veränderung, die unmöglich ist, könnte gegen Gottes Willen verstoßen. Wir sollten sie nicht mit Intoleranz betrachten, sondern stattdessen unsere Zeit und Energie für hilfreiche, konstruktive Aktivitäten verwenden, bei denen befriedigende Ergebnisse möglich sind. Gott gebe uns die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die wir nicht ändern können, den Mut, Dinge zu ändern, die wir ändern können und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Angst Die Neigung von Alkoholikern, es unberücksichtigt zu lassen, daß die Angst zum Alkoholismus beiträgt, führt bei Neulingen oft dazu, daß sie deren Bedeutung bei ihrer Inventur übersehen. Irrtümlicherweise nehmen sie an, sie müßten sich als Angsthasen und Feiglinge abstempeln und an den Pranger stellen lassen; damit wollen sie nichts zu tun haben. Doch Angst hatte viel mit ihren Saufereien zu tun, und für ihre Genesung ist es wesentlich, dies voll und ganz zu erkennen. Angst ist eine Emotion, die im Leben eines jeden Menschen einen ganz bestimmten Platz einnimmt. Primitive Menschen hätten ohne sie nicht überleben können. Die Erfahrung lehrte sie Angst vor gefährlichen oder zerstörerischen Dingen, denen gegenüber sie machtlos waren, und die Angst versorgte sie dann mit der Sonderenergie, die sie benötigten, um böse Lebensumstände zu meiden oder ihnen zu entkommen. Wenn sie für ihren eigentlichen Zweck der Selbsterhaltung benutzt wird, schenkt uns Angst die Vorsicht und Besonnenheit, die für die Erfordernisse des täglichen Lebens notwendig sind. Angst veranlaßt uns zu sicheren Handlungsweisen und bewegt uns dazu, unsere Familien gegen Armut und Leid zu schützen. Unter ihrem Einfluß gewinnen wir die Energie, uns ein Zuhause zu schaffen, zu arbeiten, uns mit der Realität zu konfrontieren und Verantwortung zu übernehmen. Als Alkoholiker haben wir zwar ein paar positive Eigenschaften der Angst genutzt, doch wir haben in erster Linie ihre negativen Aspekte verwendet und insbesondere diffuseste, panischer Schrecken, Feigheit, Sorgen, Unsicherheit und Angst vor Verletzungen oder vor dem Übel entwickelt, das immer hinter der nächsten Ecke zu lauem schien. Die Angst vor den Entzugssymptomen und alkoholkranker Schlaflosigkeit drängte uns dazu, überall im Haus alkoholische Getränke zu verstecken. Angst vor der Wahrheit erfüllte uns mit Grauen und Unsicherheit. Ständig beherrschte uns die Angst in unseren Bemühungen, die Sucht zu verdecken, unsere Lügen aufrechtzuerhalten und uns vor unseren Gläubigern zu drücken. Die Angst vor Abhängigkeiten, vor der öffentlichen Meinung, vor dem Verlust des Heims und vor wirtschaftlicher Ungewißheit ließ keinerlei inneren Frieden zu. Die negativen Faktoren der Angst gehören in unsere Inventur. Auf Seite 65 [Deutsche Ausgabe Seite 75], im fünften Kapitel von Alcoholics Anonymous, finden wir Beispiele für Angst in unserem Leben und eine Methode, sie einzuordnen. Ein Teil unseres Persönlichkeitswandels dreht sich um das Verständnis und die Behandlung dieser Emotion. Das AA-Programm beruht nicht auf Angst vor dem Rückfall oder anderen Dingen. Es ist eine positive, spirituelle Lebensweise, die auf einer Kraft basiert, die anders ist als unsere eigene, auf dem Glauben an eine Kraft. die größer ist als wir selbst, um Angst und andere Fehler unserer Alkoholikerpersönlichkeit zu überwinden. Wir haben mit angesehen, wie manche Mitglieder versucht haben, eine zufriedene Nüchternheit zu finden, indem sie sich bei ihren Bestrebungen auf eine durch Angst vor dem Alkohol motivierte Selbsterziehung stützten. Sie blieben nicht lange nüchtern. Diese Vermeidungstaktik ist ein sehr negatives Programm. Wer sich in Gedanken ständig einhämmert: "Nur nicht dies, nur nicht das, nur nicht trinken ... " beschwört es damit förmlich herauf. Es ist wichtig zu verstehen, daß unser Unterbewußtsein kein "nicht" und kein "nein" kennt. Es versteht nur "Trinken, trinken, trinken .... " und schafft die Situation, wo es eintritt. Die Absicht, auf diese Weise etwas zu vermeiden, oder die Angst davor, ist eines der sichersten Mittel, es schnellstens herbeizuführen. Wir kannten Menschen, die sich vergeblich vor der Trinkerei zu schützen versuchten, indem sie ihre Anwesenheit in Bars oder Nachtclubs total vermieden, weil sie annahmen, daß sie in solch einer Umgebung schlimmen Versuchungen ausgesetzt wären. Aufgrund ihrer Erfahrungen glauben wir, daß derart anormale Besorgnisse auf ein halbherziges Bemühen um das Programm hindeuten und in Wirklichkeit den unbewußten Wunsch, wieder zu trinken, darstellen. In Alcoholics Anonymous wird festgestellt: "Wir glauben, jeder Versuch, den Alkoholismus zu besiegen, indem der kranke Mensch vor der Versuchung abgeschirmt werden soll, ist zum Scheitern verdammt. Wenn sich der Alkoholiker selbst abzuschirmen versucht, mag er eine Zeitlang Erfolg haben, aber normalerweise wird die Katastrophe am Ende größer sein denn je. Wir haben diese Methoden ausprobiert. Diese Versuche, das Unmögliche zu tun, sind immer gescheitert. Unsere Regel heißt also nicht, Orte zu meiden, wo getrunken wird, wenn wir einen legitimen Grund haben, dort zu sein... Gehe hin oder bleibe weg, je nachdem, was das Beste zu sein scheint. Aber stelle sicher, daß du soliden spirituellen Grund unter den Füßen hast, bevor du losgehst, und daß dein Beweggrund zum Hingehen vollständig gut ist. Das Wichtige ist, daß wir spirituellen Boden unter den Füßen haben, doch wir dürfen die Tatsache nicht übersehen, daß wir eine bestimmte Rolle zu spielen haben. Gott kann uns helfen, wenn wir bereitwillig sind und versuchen, gesund zu werden. Die Erkenntnis, daß die Versuchung immer gegenwärtig sein wird, und daß wir sie früher niemals erfolgreich vermeiden konnten, sollte uns dazu bringen, Gottes Nähe und Hilfe zu suchen. Wir können nie wissen, wie und wann der Saufdruck kommen wird. Wir wissen jedoch, daß er auf jeden Fall kommen wird, und wir können nicht warten, bis er uns überfällt. Wir müssen uns rechtzeitig, solange es uns gut geht durch Glauben und Gebet für die Stunde der Not wappnen. In den ersten beiden Schritten wurde uns nahegelegt, zur Einsicht in unser Alkoholproblem zu kommen, unsere Machtlosigkeit gegenüber dem Alkohol sowie das damit verbundene wahnsinnige Verhalten und unkontrollierbare Leben zuzugeben. Das dürfen wir niemals vergessen. Die Natur unterstützt uns Alkoholiker dabei, und hält unsere Erinnerung durch gelegentliche Träume wach, in denen wir trinken. Diese Träume sind so realistisch, daß sie uns mit echter Reue erfüllen und uns in dem Ziel bestärken, eine zufriedene Nüchternheit zu erlangen und aufrechtzuerhalten. Wir müssen zugeben, daß wir Alkoholiker sind; es ist gut für uns, wenn wir das tun. Alle Mitglieder sollten eine ehrliche, realistische Einschätzung von dem gewinnen, was ihnen der Alkohol angetan hat. Das ist ein Teil ihrer Rückversicherung gegen mögliche Rückfälle zum Trinken. Das läuft nicht darauf hinaus, daß sie von ihrer Fähigkeit Angst zu empfinden Gebrauch machen, um weitere Alkoholsucht zu vermeiden, sondern eher von ihrer Intelligenz. Wir fürchten uns nicht vor dem Alkohol, denn wir sind ihm ja nicht mehr machtlos ausgeliefert, seit wir uns mit einer Macht verbündet haben, die größer ist als wir und auch größer als die Macht des Alkohols. Überall um uns herum kann Alkohol sein, ohne eine schädliche Wirkung auf uns auszuüben, wenn wir den richtigen "spirituellen Boden unter den Füßen haben" und unsere Philosophie jeden Tag vierundzwanzig Stunden lang praktizieren. Wir sollten uns jedoch davor fürchten, den Alkohol zu trinken, ebenso wie wir uns vor jedem anderen Gift fürchten würden. Folglich stärken wir unser Bewußtsein mit Gebeten und mit den geistigen Mitteln, die Gott uns gegeben hat. Einsichtsvoller Gebrauch bildhafter Vergleiche, die auf unserem Wissen um die Wirkungsweise der Sucht basieren, ist von unschätzbarem Wert für unsere Genesung vom Alkoholismus. So können wir uns beispielsweise ein Vorsicht-Gift-Etikett vorstellen, wenn wir eine Bier oder Schnapsflasche sehen. Wir lehnen uns ja auch nicht gegen die Tatsache auf, daß wir andere Gifte weder trinken noch essen können. Wir erreichen leichter zufriedene Nüchternheit, wenn wir den Alkohol von unserer Getränkeliste streichen und ihn dahin verweisen, wo er für uns rechtmäßig hingehört - nämlich in den Giftschrank. Mitglieder, denen es nicht gelingt, ihre Angst durch die Anwendung des AA-Programms zu überwinden, sollten ihren Arzt oder Psychiater zu Rate ziehen, der wahrscheinlich in der Lage ist, ihnen zu helfen. Solche Hilfe - zusätzlich zum AA-Programm - setzt ihnen meist den Kopf zurecht und ermöglicht eine zufriedene Nüchternheit. Wenn die Angst nicht durch eine Zwangsvorstellung gebildet wird [wörtlich: Obsession - Besessenheit], kann sie oft bereits durch einige neue Denkansätze, die uns das AA-Programm liefert, abgestellt werden. Angst ist nicht mehr und nicht weniger als ein verdrehter Glaube an die negativen Dinge im Leben und an all die Übel, die uns befallen könnten. Angst ist eine Mangelkrankheit, fehlendes Gottvertrauen. Die AA-Philosophie fußt nicht auf der Furcht vor den Folgen eines Rückfalls oder sonstigen Ängsten. Als Alkoholiker wurden wir früher durch Probleme und Ängste verunsichert, denen unmöglich abzuhelfen war, wie es schien. Das spirituelle Konzept dieses Programms hat sie beseitigt und durch inneren Frieden ersetzt. Wir machen uns keine Sorgen mehr, wir haben eine spirituelle Gnadenfrist erhalten. Gott verlängert diese Gnadenfrist von Tag zu Tag als Anerkennung für die Wertschätzung Seiner Hilfe und unseren selbstlosen Dienst an anderen Menschen. Unser Gegenmittel gegenAngst ist Glaube - kein verdrehter Glaube an Angst, sondern ein heilsamer, allumfassender Glaube an Gott, wie wir Ihn verstehen. Darin haben wir das wirksame Mittel gefunden, um alle Ängste, denen ein Alkoholiker unterworfen ist, zu überwinden. Ärger Ärger, Zorn und Wut sind an sich berechtigte Gefühle, aber sie können mißbraucht werden, indem wir ihnen freien Lauf lassen oder sie in unfairer Weise an anderen Menschen auslassen. Wenn die Emotionen eines Alkoholikers von offenem, verdecktem oder unterdrücktem Ärger beherrscht werden, macht er keine Fortschritte im Programm, solange er sich nicht mit den zerstörerischen Wirkungen eines derartigen Ärgers auseinandergesetzt hat. Oft verbindet der Alkoholiker Ärger mit Selbstmitleid und fühlt sich von der ganzen Welt betrogen, der Alkoholiker kann sein mißbräuchliches Verhalten dann mit der Begründung rechtfertigen, daß die anderen es nicht besser verdienen oder indem er sagt: "Ihr wolltet das ja so!" Diese Art von Ärger wird im Big Book als ein Gefühlszustand erkannt, der für Alkoholiker gefährlich ist: "Wenn wir leben wollten, mußten wir frei von Ärger sein. Groll und Wutanfälle waren nichts für uns. Sie mögen ein zweifelhafter Luxus normale Menschen sein, aber für Alkoholiker sind diese Dinge Gift. Das Big Book spricht hier von dem zerfressenden Ärger, der bei Alkoholikern so häufig auftritt, und der entweder festgehalten wird und niemals zum Ausdruck kommt oder als jähzornige Explosion mit ausfallenden Beschimpfungen herausplatzt. Diese Gefühle können zu Selbstmitleid und Groll verführen und verursachen Rückfälle. Im täglichen Leben begegnen wir Alkoholiker Situationen die Ärger hervorrufen. Alkoholiker sind nicht perfekt und wir sind schließlich keine Heiligen, wir empfinden und erleben immer wieder Ärger. Das Wichtige ist, sich selbst davor zu bewahren, diesen Ärger ungerecht an anderen zu entladen, oder an ihm festzuhalten und es zuzulassen, daß er sich in Groll verwandelt oder sich nach innen gegen einen selbst wendet und Minderwertigkeitsgefühle oder Depressionen verursacht. Ärger kann in einer nicht bedrohlichen und nicht ausfallenden, sauberen Art und Weise ausgedrückt werden. Danach kannst du ihn loslassen. Meist wird der Alkoholiker hinter dem Ärger andere, tiefere Gefühle entdecken, wie zum Beispiel Angst oder Traurigkeit. Oft ist Ärger ein Deckmantel für unser Gefühl der Unzulänglichkeit. Wir Alkoholiker sind auch nur Menschen. Wir sind allen menschlichen Trieben unterworfen und stehen oft Bedingungen gegenüber, die Ärger aufkommen lassen, nur dürfen wir nicht das zerstörerische Potential übersehen, das hinter dem Ärger steckt, wenn wir ihn nicht überprüfen oder die Einbrüche ignorieren, die sein Einfluß in unserer Genesung bewirken kann. Wenn wir unsere Inventur zusammenstellen, wollen wir dabei nicht vergessen, daß wir Alkoholiker sind, daß wir körperlich, psychisch und spirituell krank sind, daß wir unfähig waren, von unserer Krankheit aus eigener Kraft zu genesen und daß Tausende von Alkoholikern vor uns ihre Genesung bewirkt haben, indem sie ihre Alkoholikerpersönlichkeit gegen die glückliche, nüchterne Persönlichkeit eingetauscht haben, die durch die AA-Lebensweise zum Vorschein kommt. Das halten wir uns vor Augen und bitten eine Kraft, die größer ist als wir selbst, um Hilfe und Führung bei der erforschenden und furchtlosen moralischen Inventur von uns selbst, die wir als notwendigen Schritt auf dem Weg der Genesung von unserer Krankheit, dem Alkoholismus, machen. Leichen im Keller Trotz unserer aufrichtigen Bemühungen, eine ehrliche Inventur von all den "Fehlern in unserer Maskerade, die unser Versagen verursachten" zu machen, werden wir einige Mängel nicht erfassen. Warum? Einfach, weil wir sie übersehen. Unser geistiges und moralisches Sehvermögen war zu lange durch die alkoholkranken Vorbehalte und Erklärungsmechanismen verblendet. Deshalb ist es nötig, in unserer Inventur einen Platz für die Leichen im Keller zu reservieren, die wir später aufdecken werden. Um diese unentdeckten Fehler brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, aber wir sollten ihre Existenz hinnehmen und es AA überlassen, wann sie uns auf dem neuen Lebensweg offenbart werden. Wenn es soweit ist, schreiben wir sie auf unsere Liste, damit sie bereinigt werden können. ZUSAMMENFASSUNG:
Im fünften Kapitel des Big Books, auf den Seiten 64 bis 71 [Deutsche Ausgabe Seite 74 bis 82], wird auf unzählige Charakterfehler hingewiesen, die für Alkoholiker typisch sind und die in einer schriftlichen Inventur aufgelistet werden sollten. Durch unsere Inventur lernen wir die spirituelle Krankheit von Groll und Unehrlichkeit kennen, die Frustration von Eifersucht, Argwohn, Selbstmitleid, Angst, Ärger und falschem Stolz und den schädlichen Charakter von Kritiksucht, Intoleranz und Rachsucht. Wir beleben unser abgetötetes Gewissen, wenn wir unsere verheerenden, selbstsüchtigen Angewohnheiten auflisten. Während wir in unserer Inventur ehrliche, schriftliche Berichte machen, lernen wir zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Diese schriftliche Inventur kann vielleicht den Unterschied zwischen Nüchternheit und dem nächsten Rausch ausmachen. |