Jellinek
Schema
Eine grundlegende
Untersuchung über die Krankheit Alkoholismus stammt von dem
amerikanischen Professor Dr. E. M. Jellinek. Im Auftrag der WHO
(World Health Organisation, Weltgesundheitsorganisation)
untersuchte er mehrere tausend Fallgeschichten von Alkoholikern
und faßte das Ergebnis in ein Schema von 4 Phasen und -
innerhalb dieser - 45 Symptomen zusammen. Auf der Grundlage
dieser Untersuchung wurde Alkoholismus durch die WHO als
Krankheit anerkannt.
Die von Jellinek beschriebenen Phasen
- - Vorphase
- - Anfangsphase (1 bis 7)
- - Kritische Phase (8 bis 30)
- - Chronische Phase (ab 31)
Die Übergänge zwischen den Phasen sind fließend und nicht jeder
Betroffene muß alle Symptome entsprechend der vorgegebenen
Reihenfolge erleben.
Die innerhalb der Phasen beschriebenen 45 Symptome stellen
jedoch besonders typische Merkmale der fortschreitenden
Suchterkrankung dar, die im Einzelfall bedingt durch die
jeweilige Lebenssituation und Persönlichkeit des Betroffenen
unterschiedlich ausgestaltet sein können. Die Symptome treten
häufig, aber durchaus nicht immer erstmalig in der Phase auf, in
der sie beschrieben sind. Ist ein Symptom einmal aufgetreten,
wird es in der Regel beibehalten und prägt sich im weiteren
Verlauf der Suchterkrankung weiter aus. Einzelne Symptome können
übersprungen werden, auch nicht erwähnte Merkmale können evtl.
hinzukommen. Der entscheidende Vorteil dieses Symptomenkataloges
liegt darin, daß er es dem Suchtmittel-Abhängigen ermöglicht,
seine Abhängigkeit und deren Entwicklungsstand selbst zu
erkennen. Das Jellinek-Schema ist somit ein Instrumentarium zur
Selbstdiagnose.
A)
Voralkoholische Phase
Gelegentliches Erleichterungstrinken Erhöhung der
Alkoholtoleranz Häufiges Erleichterungstrinken.
Der erste Beginn des Konsums alkoholischer Getränke ist bei dem
potentiellen Alkoholiker meist sozial motiviert, wie bei jedem
anderen auch. Im Gegensatz zum durchschnittlichen
Gesellschaftstrinker empfindet der spätere Alkoholiker bald eine
befriedigende Erleichterung beim Trinken. Dabei schreibt er
seine Erleichterung eher der Situation als dem Trinken zu, z.B.
der lustigen Gesellschaft, dem Fest, dem Kegeln oder Skatspielen
usw.; daher sucht er Gelegenheiten, in denen beiläufig getrunken
wird.
Nach einer bestimmten Zeit des Trinkens wird eine Erhöhung der
Alkoholtoleranz festgestellt, d.h. der Trinker braucht eine
größere Menge Alkohol als früher zur Erreichung des gewünschten
euphorischen Stadiums. Diese Trinkmethode dauert je nach
Umständen Monate und Jahre, - sie geht vom Stadium des
gelegentlichen zum häufigeren Erleichterungstrinken über. Im
gleichen Maße fällt die Toleranz des Trinkers für seelische
Belastungen in solch einem Umfang ab, dass er praktisch täglich
Zuflucht zur alkoholischen Erleichterung nimmt. Sein Trinken
erscheint jedoch weder seinen Angehörigen, Freunden noch ihm
selbst verdächtig.
B) Anfangsphase
1. Gedächtnislücken
Plötzliches Auftreten von Erinnerungslücken - medizinisch
Amnesien genannt. Sie können ohne Anzeichen von Trunkenheit
auftreten. Der Trinker kann eine vernünftige Unterhaltung führen
oder schwierige Arbeit leisten, ohne am nächsten Tag eine
Erinnerung daran zu haben, wenn auch noch einzelne
Erinnerungsfetzen bestehen. Der Alkohol hört praktisch auf, ein
Getränk zu sein, sondern er wird als "Medizin" benötigt, die der
Trinker braucht.
2. Heimliches Trinken
Aus dem Unterbewussten entwickelt sich bei dem Trinker die
vage Vorstellung, dass er anders als andere Leute trinkt. Um nun
nicht aufzufallen oder falsch beurteilt zu werden, sucht er bei
Geselligkeiten Gelegenheiten zum Trinken von ein paar Gläsern
ohne das Wissen der anderen; er trinkt "heimlich".
3. Dauerndes Denken an Alkohol
Ohne sich dessen recht bewusst zu werden, denkt der Trinker
oft und über das normale Maß hinaus an Alkohol, ein Beweis für
seinen erhöhten Bedarf.
4. Gieriges Trinken
Wegen seiner vermehrten Alkoholabhängigkeit tritt jetzt das
"gierige Trinken", nämlich das hastige Herunterkippen der ersten
Gläser, auf.
5. Schuldgefühle wegen der Trinkart
Da der Trinker sich allmählich bewusst wird, dass sein
Trinken ungewöhnlich ist, entwickeln sich bei ihm
"Schuldgefühle" wegen seiner Trinkart.
6. Vermeiden von Anspielungen auf Alkohol
Aus dem vorgenannten Schuldgefühl heraus beginnt der
Trinker, bei Unterhaltungen "Anspielungen auf Alkohol" zu
vermeiden.
7. Häufigkeit der Gedächtnislücken
Die Häufigkeit von Gedächtnislücken, in Verbindung mit dem
Verhalten 2.-6., wirft den Schatten der Alkoholsucht voraus und
sollte dem Trinker als dringende Warnung dienen.
C) Kritische Phase
8. Unwiderstehliches Verlangen nach mehr Alkohol nach dem
ersten Glas (Kontrollverlust)
Es ist das Stadium erreicht, in dem bei dem Trinker ein
unwiderstehliches Verlangen nach mehr Alkohol entsteht, sobald
eine kleine Menge Alkohol in seinen Körper gelangt ist. Dieses
Verlangen wird als zwingender Bedarf empfunden und hält
gewöhnlich an, bis der Trinker zu betrunken oder zu krank für
eine weitere Alkoholaufnahme ist. Dieser alkoholische Exzess,
medizinisch Alkoholabusus genannt, braucht nicht durch irgendein
persönliches oder psychisch bedingtes Bedürfnis eingeleitet zu
werden, sondern kann aus einer "harmlosen" gesellschaftlichen
Gelegenheit entstehen. Der "Kontrollverlust" bedeutet nicht,
dass der Trinker immer trinken muss, er setzt vielmehr erst
während des Trinkens und durch das Trinken ein.
Der Trinker hat in der konkreten Situation noch immer die
Entscheidungsfreiheit darüber, ob er trinken will oder nicht Das
wird allein durch die freiwilligen abstinenten Perioden
bewiesen, die oft nach derartigen Exzessen eingehalten werden.
In diesem Zusammenhang wird oft die Frage erhoben, warum der
Trinker nach seinen verhängnisvollen Erfahrungen anlässlich
seiner wiederholten Exzesse denn dann immer wieder anfängt zu
trinken. Er ist in diesem Stadium bereits alkoholabhängig
geworden, wenn es ihm auch nicht bewusst ist. Sein Wille in
Verbindung mit Alkohol ist mindestens beeinträchtigt, er selbst
jedoch glaubt, dass er seine diesbezügliche Willenskraft nur
vorübergehend verloren hat und sie daher wiedererlangen kann und
muss. Er ist sich jedoch darüber nicht im klaren, dass in ihm
ein Vorgang (Abhängigkeitserkrankung) abgelaufen ist, der es ihm
unmöglich macht, seinen Alkoholkonsum über längere Zeiträume
hinweg einzuschränken oder zu kontrollieren.
9. Erklärungen, warum man so trinke (Alkoholausreden, Alibis)
Mit dem Einsetzen des Kontrollverlustes beginnt der
Alkoholiker sein Trinkverhalten zu erklären und schafft sich
durch "Alkoholausreden" Alibis, d.h. Erklärungen, die ihn selbst
davon überzeugen sollen, dass er die Kontrolle nicht verloren
hat. Er redet sich selbst ein, dass er "guten" Grund zum
Sichbetrinken habe und er ohne "diesen" Grund genauso mäßig oder
überhaupt nicht wie die anderen trinken könne. Hier setzt der
große unbewusste Selbstbetrug des Alkoholikers ein und damit
verbunden der Betrug an seiner Umwelt.
10. Soziale Belastungen
Dieser Selbstbetrug ist nun beim Alkoholiker der Anfang
eines ganzen "Erklärsystems", das sich immer mehr auf jede Ebene
seines Lebens ausbreitet. Dieses "System" dient nun auch als
Widerstand gegen die "sozialen Belastungen", die zusammen mit
dem "Kontrollverlust" entstehen. Seine Trinkart fällt
unterdessen auch der Umwelt auf. Angehörige, Freunde, Kollegen
und Arbeitgeber beginnen, den Alkoholiker zu tadeln oder zu
warnen.
11. Übergroße Selbstsicherheit
Auf das Verhalten der Umwelt reagiert der Alkoholiker mit
"übergroßer Selbstsicherheit" nach außen, obwohl bei ihm selbst
ein deutlicher Verlust an Selbstachtung einsetzt. Er versucht,
diesen Verlust durch Extravaganz und Großspurigkeit zu
kompensieren, um sich selber davon zu überzeugen, dass er noch
nicht so schlecht dran ist, wie er manchmal gedacht habe.
12. Auffällig aggressives Benehmen (die anderen sind schuld)
Durch sein "Erklärsystem" isoliert sich der Alkoholiker in
zunehmendem Maß von seiner Umwelt, die in seinen Augen an allem
schuld ist. Auf dieses angebliche "Schuldsein" der Umwelt
reagiert er dann mit auffällig aggressivem Benehmen.
13. Innere Zerknirschung, dauerndes Schuldgefühl (Anlass zum
erneuten Trinken)
Das auffällige Verhalten des Alkoholikers gegenüber seiner
Umwelt reflektiert auf ihn selbst und ruft nun auch in ihm
Schuldgefühle hervor, die zur inneren Zerknirschung führen.
Diese Zerknirschung sucht er erneut mit Alkohol zu überspielen,
und so setzt der circulus vitiosus (Teufelskreis) ein.
14. Perioden völliger Abstinenz
Bisweilen gelingt es dem Alkoholiker, diesen "circulus
vitiosus" zu durchbrechen, indem er Perioden völliger Abstinenz
durchläuft. Dabei folgt er dann auch dem zunehmenden sozialen
Druck.
15. Änderung des Trinksystems
Die abstinenten Perioden führen jedoch wieder zum Rückfall,
da er seinem Grundübel, dem "Selbstbetrug", nicht begegnet und
daher dem ständigen inneren Druck nicht standhält. Aus diesem
"Selbstbetrug" heraus ändert der Alkoholiker jetzt sogar sein
Trinksystem, indem er sich selber "Regeln" aufstellt, so z.B.
nicht vor einer bestimmten Tageszeit zu trinken oder nur an
bestimmten Orten, oder nur diese und jene Art und Menge Alkohol
zu trinken, usw.
16. Fallenlassen von Freunden (Feindseiligkeit gegen die
Umwelt)
Die Umwelt erkennt natürlich die Änderung der
Verhaltensweise des Alkoholikers, entlarvt ihn ob seiner
"scheinbaren" Abstinenz und durchschaut die Änderung seines
"Trinksystems". Darauf reagiert der Alkoholiker mit
Feindseligkeit und lässt seine Freunde fallen.
17. Verlassen oder Wechseln des Arbeitsplatzes
Das Verlassen oder Wechseln des Arbeitsplatzes ist nur eine
Konsequenz aus seinem feindseligen Verhalten gegenüber der
Umwelt. Freunde und Bekannte lassen den Alkoholiker fallen, oft
verliert er auch den Arbeitsplatz. In vielen Fällen übernimmt er
auch in dieser Richtung selber die Initiative als
vorausschauende Verteidigung und zum Sich- Entziehen unliebsamer
Tadel und Mahnungen.
18. Konzentrierung des Benehmens auf Alkohol
Da sich der Alkoholiker immer mehr verlassen sieht,
konzentriert er sich im verstärkten Maß auf den Alkohol als
"Medizin und Seelentröster".
19. Verlust an äußeren Interessen
Der Alkoholiker denkt darüber nach, wie eine bestimmte
Arbeit sein Trinken stören könnte (statt umgekehrt) und lehnt
alle Interessen ab, die ihn daran hindern können.
20. Neuauslegung mitmenschlicher Beziehungen
Im Alkoholiker verstärkt sich zunehmend das Gefühl, dass
die Umwelt an seinem Fehlverhalten schuld sei. Dieses Gefühl
ruft in ihm eine immer stärker werdende Anspruchshaltung hervor,
aus der heraus er nur noch den Wert oder Unwert seiner
mitmenschlichen Beziehungen bemisst.
21. Auffallendes Selbstmitleid
Diese Auslegung seiner mitmenschlichen Beziehungen ist mit
einem auffallenden Selbstmitleid verbunden. Er kann doch nichts
dafür, die anderen wollen ihm doch immer etwas!
22. Gedankliche oder tatsächliche Flucht
Sein "Erklärsystem", seine "Isolation" und sein
"Selbstmitleid" haben jetzt derartige Formen angenommen, dass
der Alkoholiker versucht, sich den daraus entstandenen Problemen
durch gedankliche Flucht (sich selber etwas vorgaukeln und
gedanklich in eine bessere Atmosphäre versetzen) oder
tatsächliche (geographische) Flucht zu entziehen.
23. Änderungen im Familienleben
Unter dem Eindruck dieser Vorfälle tritt eine Änderung im
Familienleben ein. Nicht nur der Alkoholiker hat sich zunehmend
isoliert, sondern auch seine Familienangehörigen ziehen sich
zunehmend von ihm zurück. Auch entwickeln sie eine ausgiebige
Betriebsamkeit, um dadurch der häuslichen Umgebung zu entkommen.
24. Grundloser Unwillen
Der Alkoholiker selbst lebt jetzt in einem anhaltenden
Spannungszustand, der oft bei ihm grundlosen Unwillen auslöst.
25. Sichern des Alkoholvorrats
Das vorherrschende Interesse an Alkohol veranlasst den
Alkoholiker, sich seinen "Alkoholvorrat" immer zu sichern, wobei
er auch dazu übergeht, ihn zu verstecken.
26. Vernachlässigung angemessener Ernährung
Sowohl das "Sichern des Alkoholvorrats" als auch die ersten
Auswirkungen auf den Organismus durch das ständige Trinken
(Appetitlosigkeit) bringen den Alkoholiker dazu, seine Ernährung
zu vernachlässigen bzw. sich völlig einseitig zu ernähren
(Kotelett, Frikadellen, Würstchen, Brühen usw. - Vitaminmangel).
27. Erste Krankenhauseinweisung wegen alkoholischen
Beschwerden
Die ersten organischen Schäden werden akut (Gastritis,
Leberschäden, neurotische Störungen), stationäre Behandlung wird
erforderlich.
28. Abnahme des Sexualtriebes
Während sich zu Beginn der Trinkerzeit eine erhöhte Potenz
bemerkbar machte und an die Ehefrau oft unzumutbare Forderungen
gestellt wurden, zeigt sich jetzt eine zunehmende Impotenz des
Alkoholikers.
29. Alkoholische Eifersucht
Auf Grund der eigenen zunehmenden Impotenz steigert sich
beim Alkoholiker die Feindschaft gegen seine Ehefrau. Er
unterstellt ihr außerehelichen Geschlechtsverkehr und verfällt
dadurch in die "alkoholische Eifersucht". Reaktionen seiner
Ehefrau auf sein Fehlverhalten werden von ihm grundsätzlich
missverstanden, ein anderer Mann wird dahinter vermutet.
30. Regelmäßiges morgendliches Trinken
In diesem Stadium haben Gewissensbisse, Unwillen, Kampf
zwischen Alkoholverlangen und Pflichten, Verlust der
Selbstachtung und Selbstmitleid, Zweifel und Selbsttäuschung den
Alkoholiker so zerrüttet, dass er den Tag nicht beginnen kann,
ohne sich nach dem Aufstehen oder noch vorher mit Alkohol zu
beruhigen. Ja, er kann schon seine Arbeit ohne Alkohol nicht
mehr ausführen. Durch den bisherigen Prozess des Alkoholismus
ist die moralische und körperliche Widerstandskraft des
Alkoholikers schon völlig untergraben.
D) Chronische Phase
31. Einsetzen des verlängerten Rausches
Die zunehmend beherrschende Rolle des Alkohols und das
durch das morgendliche Trinken entstandene "Verlangen" brechen
schließlich den Widerstand des Alkoholikers. Er ist jetzt auch
am hellen Tag und bisweilen öfters in der Woche betrunken. Oft
verharrt er mehrere Tage hintereinander in diesem Zustand, so
dass er dem "verlängerten Rausch" unterliegt, bis er völlig
unfähig ist (geistig und körperlich), noch etwas zu unternehmen.
32. Bemerkenswerter ethischer Abbau
Die mit diesen anhaltenden Exzessen verbundene
Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt haben bei dem Alkoholiker
einen erheblichen ethischen Abbau zur Folge.
33. Beeinträchtigung des Denkens
Auch das Denkvermögen weist erhebliche Ausfallerscheinungen
auf Sachliche Überlegungen vermag der Alkoholiker nicht mehr
anzustellen, seine Gedanken verfolgen nur noch "krumme Wege".
34. Alkoholische Psychosen
Bei vielen Alkoholikern treten in diesem Stadium die ersten
"alkoholischen Psychosen" auf, das sind durch Alkohol bedingte
Geistesstörungen, Halluzinationen, psychosomatische und
psychoasthenische Reaktionen.
35. Trinken mit Personen unter Niveau
Der Verlust der Moral und oft auch der Verlust der eigenen
sozialen Stellung bewirken häufig, dass der Alkoholiker nach dem
Motto: "Unter den Blinden ist der Einäugige König" mit Personen
weit unter seinem Niveau trinkt, oder allgemeiner: mit Personen,
mit denen er sonst im Leben kaum Kontakt suchen würde.
36. Zuflucht zu technischen Produkten
Wenn der Alkoholiker nichts anderes hat oder seine
finanziellen Mittel nicht mehr ausreichen, nimmt er zur
Befriedigung seiner Gier Zuflucht zu technischen Produkten, wie
Kölnisch Wasser oder Haarwasser, Franzbranntwein oder
minderwertigem Wermut.
37. Verlust der Alkoholtoleranz
Geistige und körperliche Widerstandskraft sind abgebaut,
der Alkoholiker benötigt keine große Menge mehr, um in den
Vollrausch zu kommen. Jedoch der Vollrausch wird in seiner
Wirkung immer kürzer. Das Trinken wird daher immer hektischer,
der circulus vitiosus rotiert immer schneller.
38. Undefinierbare Ängste und Zittern werden
Dauererscheinungen
Anhaltendes Zittern (Tremor),
39. ständige Niedergedrücktheit
(Depression), Angstzustände (traumatische Neurosen) sind in
diesem Stadium Symptome beim Alkoholiker, die auftreten, sobald
in seinem Organismus kein Alkohol mehr vorhanden ist. Die ersten
prädeliranten Zustände treten auf. Diese Zustände versucht der
Alkoholiker dann wiederum mit Hilfe von Alkohol unter Kontrolle
zu bekommen bzw. sie damit zu überbrücken
40. Organische Nervenschädigungen (Polyneuropathie)
Infolge der chronischen Alkoholintoxikation (Vergiftung) treten
länger dauernde Schädigungen des peripheren Nervensystems auf,
die also auch noch nach dem Entzug Störungen verursachen:
Kribbeln und Taubheitsgefühle (sensibles Nervensystem), Greif-
und Gangstörungen (motorisches Nervensystem) - vorwiegend in
Händen, Armen, Füßen, Beinen.
41. Trinken wird Besessenheit
Aus der Notwendigkeit heraus, Ängste, Zittern, Hemmungen
usw. zu überwinden, sieht der Alkoholiker sich gezwungen,
ständig zu trinken. Damit nimmt sein Trinken den Charakter der
Besessenheit (Obsession) an.
42. Unbestimmte religiöse Wünsche
Da der Alkoholiker für sein Fehlverhalten, das er
allmählich als solches erkannt hat, immer weniger eine Erklärung
findet, gibt er sich dubiosen "religiösen" Vorstellungen hin,
die sich bis zum "religiösen Wahn" steigern können.
43. Das Erklärsystem versagt
Aber auch die vorerwähnten "religiösen Vorstellungen und
Wünsche" vermögen dem Alkoholiker keine Antwort auf seine
ständige Frage nach dem "Warum" zu geben. Die Erklärungen, die
er sich aus seinem eigenen "Erklärsystem" gibt, werden so häufig
und unbarmherzig der Wirklichkeit gegenübergestellt, dass sie
vollständig versagen. Er weiß sich keine Antwort mehr und
gesteht seine Niederlage ein.
44. Zusammenbrüche
Als Folge dieser Niederlagen ergeben sich für den
Alkoholiker seelische Zusammenbrüche, oft verbunden mit der
"alkoholischen Epilepsie". Diese Zusammenbrüche sind oft so
schwerer Natur, dass die ärztliche Behandlung unbedingt
notwendig ist. Selbstmordversuche sind in diesem Stadium nicht
selten.
45. Alkoholdelirium
Beim Alkoholiker tritt - meist im Entzug - ein hochgradiger
Verwirrtheitszustand auf, mit Wahnideen und schwerer motorischer
Unruhe (evtl. mit Fieber verbunden; der Ausgang kann tödlich
sein). Wird in dieser Stufe (Endstufe) das Stadium der
Korsakow'schen Erkrankung erreicht, ist die Zerstörung der
Gehirnzellen irreparabel.
Korsakow-Syndrom: psychischer Folgezustand nach schweren
toxischen, infektiösen, traumatischen oder arteriosklerotischen
Hirnschädigungen.
Symptomkomplex, der gekennzeichnet ist durch hochgradige
Störungen der Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Auffassung und
Reproduktion sowie Gedächtnisausfälle, die durch
Erinnerungsfälschungen (Konfabulationen) ersetzt werden; daneben
zeitliche und örtliche Desorientierung, euphorische, später
stumpfe und gleichgültige Stimmungslage, Initiativlosigkeit und
rasche Ermüdbarkeit.
Der Alkoholische Korsakow (Korsakow-Psychose) beginnt meist mit
einem Delirium tremens und ist oft verbunden mit der
alkoholischen Polyneuropathie.
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Phasen der Alkoholsucht
Die
Alkoholkrankheit entwickelt sich in verschiedenen
Phasen.
Sie können durch bestimmte Symptome erkannt werden.
Unzählige
Alkoholkranke werden zu spät oder überhaupt nicht einer
Behandlung zugeführt. Das ist oft mangelnder Kenntnis
zuzuschreiben. Grundsätzlich ist es falsch, jeden
Alkoholgenuss Erwachsener als gefährdend anzusehen. Bei
Jugendlichen allerdings sind erste Alkoholexzesse
ernstzunehmende Hinweise dafür, dass mit der
Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen oder
seiner Umwelt etwas nicht stimmt.
Eine wichtige Hilfe für die Kenntnis des Gefährdungs-
und Krankheitsverlaufes bei Alkoholkranken sind die
Forschungsergebnisse von Prof. E. M. Jellinek über die
Phasen der Alkoholsucht (1951).
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Formen
und Typen des Alkoholismus
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Übersicht
der Abhängigkeitstypen nach Jellinek
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Alpha-Trinker
sind Erleichterungstrinker, die mit Alkohol ihre
Probleme zu lösen versuchen. Sie sind zwar einer
fortschreitenden Abhängigkeit ausgesetzt, können aber
ihren Alkoholkonsum unter Kontrolle halten.
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Beta-Trinker
sind Gelegenheitstrinker ohne eine eingetretene
Abhängigkeit. Bei ihnen treten vor allem Beschwerden
durch Folgekrankheiten auf, z.B. Leberschäden,
Magenleiden (Gastritis) u.a.....
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Kontrollverlust
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Gamma-Trinker
sind Suchtkranke, sie sind die eigentlichen
Alkoholiker, die vom Alkohol seelisch und körperlich
abhängig sind. Sie haben über ihren Alkoholkonsum keine
Kontrolle.
|
Delta-Trinker
sind "Spiegeltrinker", sie können ihren
Alkoholkonsum relativ lange unter Kontrolle halten. Sie
sind zwar körperlich, aber nicht seelisch abhängig. Bei
schleichender Dauerintoxikation sind sie eher
unauffällig.
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Uneinheitliche
Form
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Epsilon-Trinker
werden als "Quartalssäufer" bezeichnet.
Nach wochenlanger Abstinenz trinken sie
tagelang völlig unkontrolliert.
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Wer ist alkoholkrank?
Alkoholiker sind exzessive Trinker, deren Abhängigkeit vom
Alkohol einen solchen Grad erreicht hat, dass sie
deutliche (geistige) Störungen und Konflikte in ihrer
körperlichen und geistigen Gesundheit aufweisen. Sie
erhalten Probleme in ihren mitmenschlichen Beziehungen und
ihren sozialen und wirtschaftlichen Funktion; oder sie
zeigen Prodome (Vorläufer) einer solchen Entwicklung.
Deshalb brauchen sie Behandlung.
Es sind deutlich zwei Gruppen von Alkoholikern zu
unterscheiden: süchtige und nichtsüchtige.
Während sich bei der ersten Gruppe nach mehreren Jahren
übermäßigen Trinkens "der Verlust der Kontrollierbarkeit"
der Alkoholaufnahme einstellt, entwickelt sich dieses
Phänomen bei der anderen Gruppe niemals. Die Gruppe mit
dem Kontrollverlust wird "Alkoholabhängige" genannt.
Der Drang des Alkoholsüchtigen zeigt sich darin, dass beim
Genuss kleiner Alkoholmengen (z.B. 1 Weinbrandbohne) ein
Verlangen nach mehr Alkohol entsteht, begleitet vom
Verlust der Selbstkontrolle. Wir dürfen uns also nicht
vorstellen, dass diese Menschen von einem ständigen Drang
erfasst seien - die Sucht meldet sich erst beim Genuss
kleiner Mengen Alkohols.
Verlust der Selbstkontrolle und Unfähigkeit, mit dem
Trinken aufzuhören
In "Wein"-Ländern und einigen "Bier"-Ländern kommen eine
Anzahl der Trinker in ein Stadium, in dem sie keine - auch
noch so kurze - Abstinenzperiode ertragen können; sie
trinken tagaus, tagein, vom Aufstehen bis zum
Schlafengehen, verlieren aber dennoch nicht die Fähigkeit,
ihre Alkoholaufnahme zu regulieren. Sie sind imstande, den
Grad ihrer Vergiftung den Umständen anzupassen, in denen
sie sich gerade befinden. Aber sie können nicht veranlasst
werden, abstinent zu sein, auch wenn ihnen klar wird, dass
das Weitertrinken zu schwerer Krankheit oder anderen
ernsten Konsequenzen führt. Dieses Verhalten wird
"Unfähigkeit, mit dem Trinken aufzuhören" genannt.
Eine andere Verlaufsform des Alkoholismus, die sich
besonders auch in Ländern oder Gesellschaftsgruppen zeigt,
wo entsprechend den Trinkgewohnheiten destillierte
Spirituosen verwendet werden, zeigt das Bild des
"Verlustes der Selbstkontrolle". Der Alkoholiker kann sich
nach einer Phase der täglichen Alkoholaufnahme auf
"Trinktouren" umstellen, die durch längere oder kürzere
Pausen von einander getrennt sind. Bei dieses Trinktouren
ist schwere Trunkenheit die Regel (Quartalssäufer).
Nach dem Genuss kleiner Mengen Alkohol findet sich der
Trinker dazu getrieben, mit immer größeren Mengen
fortzufahren, bis er durch innere oder äußere Faktoren
aufgehalten wird.
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Die
voralkoholische symptomatische Phase
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Befriedigende Erleichterung
Der erste Beginn des Genusses alkoholischer Getränke ist
beim Süchtigen immer sozial motiviert. Im Gegensatz zum
durchschnittlich sozialen Trinker empfindet der spätere
Alkoholiker jedoch bald eine befriedigende Erleichterung
im Trinken. In diesem Fall ist die Erleichterung stark
gekennzeichnet, weil entweder seine Spannungen viel größer
sind als bei anderen oder er hat nicht - wie andere -
gelernt, seine Spannungen in der Hand zu behalten.
EXKURS:
In letzter Zeit wird der Einfluss des Hirnstoffwechsels,
des so genannten "Belohnungssystems", als Ursache für
die Ausbildung einer "Suchtpersönlichkeit" diskutiert.
Die Forschungen sind relativ fortgeschritten, eine
endgültige Erklärung der Zusammenhänge steht jedoch noch
aus. Erste Versuche mit Medikamenten (z.B. "Campral"),
die dieses Belohnungssystem positiv beeinflussen, laufen
zur Zeit.
Gelegenheit gesucht
Anfänglich schreibt der Trinker seine Erleichterung eher
der Situation als dem Trinken zu, zum Beispiel der
lustigen Gesellschaft, dem Fest usw., daher sucht er
Gelegenheiten, in denen beiläufig getrunken wird.
Tägliche Zuflucht
Im Anfang sieht der so Trinkende nur eine gelegentliche
Erleichterung, aber im laufe eines halben Jahres bis zu
zwei Jahren fällt seine Toleranz für seelische Belastungen
in einem solchen Maße ab, dass er praktisch täglich
Zuflucht zu alkoholischen Getränken nimmt. Da es noch
nicht zu offener Trunkenheit kommt, erscheint sein Trinken
weder seinen Freunden noch ihm selbst verdächtig.
Gesteigerter Bedarf
Nach einer gewissen Zeit kann eine Erhöhung der
Alkoholtoleranz festgestellt werden. Das heißt, der
Trinker braucht eine größere Menge Alkohol als früher um
die gewünschte Beruhigung zu erreichen.
Dauerndes Erleichterungstrinken
Diese Trinkmethode dauert je nach Umständen einige Monate
oder zwei Jahre. Sie geht vom Stadium des gelegentlichen
zum dauernden Erleichterungstrinken über. Für die gleiche
Wirkung wird immer mehr "Stoff" benötigt.
zurück zur Auswahl
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Die
Vorläufer-Phase (prodomale Phase)
|
Erinnerungslücken
Die prodomale Phase wird eingeleitet durch plötzlich
auftretende Erinnerungslücken, von Amnesien. Diese
Gedächtnislücken können auftauchen ohne Anzeichen von
Trunkenheit. Der Trinker, der nicht mehr als 50-60 g
Alkohol getrunken zu haben braucht, kann eine vernünftige
Unterhaltung führen, schwierige Arbeiten leisten, ohne am
nächsten Tag eine Spur von Erinnerung daran zu haben; wenn
auch manchmal ein oder zwei Einzelheiten ins Gedächtnis
zurückgerufen werden können. Bier, Wein und Spirituosen
beginnen jetzt praktisch aufzuhören Getränke zu sein,
sondern werden vielmehr eine "Medizin", die der Trinker
braucht.
Dauerndes Denken an Alkohol
Das dauernde Denken an Alkohol ist ein weiterer Beweis für
seinen Bedarf.
Gieriges Trinken
Wegen seiner vermehrten Alkoholabhängigkeit tritt jetzt
das "gierige Trinken", das Herunterkippen des ersten oder
der ersten beiden Gläser auf. Er merkt nun deutlich, dass
mit seinem Trinkverhalten etwas nicht stimmt.
Schuldgefühle
Durch das Bewusstsein, dass etwas nicht stimmt, entwickeln
sich Schuldgefühle wegen seiner Trinkart.
Vermeidung von Anspielungen
Deshalb beginnt er, bei Unterhaltungen Anspielungen auf
Alkohol und Trinkverhalten zu vermeiden.
Zunehmende Gedächtnislücken
Die immer häufigeren Gedächtnislücken werfen den Schatten
der Alkoholsucht voraus. Der Alkoholkonsum war bis hierher
schon hoch, fiel aber noch nicht auf, da er zu keinem
deutlichen Rausch führte. Hat der Trinker gegen Abend eine
"Narkose der Seele" erreicht, beginnt sein Trinken die
Nerven- und Stoffwechselvorgänge zu stören. Die Funktion
des Alkohols verändert sich: er wird zur Droge. Der
Trinker versucht nun den Alkohol zu verstecken, weil er
fürchtet, er könne negativ auffallen.
Die prodomale Phase der Sucht kann von sechs Monaten bis
zu vier oder fünf Jahren dauern. Sie endet und die
kritische Phase beginnt mit dem Einsetzen des
Kontrollverlustes. Ab hier beginnt die Alkoholsucht.
zurück zur Auswahl
|
Die kritische Phase
|
Verlust der Kontrolle
Kotrollverlust bedeutet, dass bereits nach einer kleinen
Menge Alkohol im Körper ein Verlangen nach "mehr"
entsteht. Dieses Verlangen hält solange an, bis der
Trinker zu betrunken oder zu krank ist für eine weitere
Alkoholaufnahme.
Nach Genesung vom Rausch ist es nicht der Kontrollverlust,
sondern es sind die ursprünglichen Konflikte oder ein
geselliger Anlass, die den Wiederbeginn des Trinkens
einleiten. Ein Rest von "Kontrolle" besteht jedoch noch.
So kann der Trinker noch durch eine Periode freiwilliger
Abstinenz gehen. Bis jetzt weiß der Kranke nicht, dass in
ihm Vorgänge abgelaufen sind, die eine dauernde Abstinenz
unmöglich machen. Er versucht daher ständig, seinen
"Willen zu beherrschen".
Erklärungsversuche
Mit dem Beginn des Kontrollverlustes beginnt der Kranke,
sein Trinkverhalten zu erklären. Er produziert die
bekannten "Alkoholausreden". Er findet Erklärungen dafür,
dass er seine Kontrolle nicht verloren hat, sondern
vielmehr ein guter Grund zum Trinken vorhanden ist und er
durchaus in der Lage ist, den Alkohol wie jeder andere zu
genießen. Die Erklärungen geben ihm die Gelegenheit,
weiter zu trinken. Das ist für ihn von großer Wichtigkeit,
denn er kennt keine andere Möglichkeit zur Lösung seiner
Probleme.
Soziale Belastungen
Dies ist der Anfang eines ganzen "Erklärungssystems", das
sich allmählich auf allen Ebenen des Lebens ausbreitet. Es
dient als Widerstand gegen "soziale Belastungen", die
jetzt entstehen: Eltern, Frau, Freunde und Arbeitgeber
beginnen den Alkoholkranken zu tadeln und zu warnen.
Übergroße Selbstsicherheit
Trotz aller Erklärungen kommt es zu einem Verlust des
Selbstwertgefühls. Das wird kompensiert durch die
"übergroße Selbstsicherheit nach außen", die der Kranke an
den Tag legt. Extravagante Verschwendung und großspurige
Reden überzeugen ihn selbst, dass er nicht so schlecht
ist, wie er manchmal gedacht hat.
Aggressives Verhalten
Das "Erklärungssystem" isoliert den Kranken zunehmend. Das
führt zu der Ansicht, nicht bei ihm sondern bei den
anderen liegen die Fehler, was wiederum zu einer Abkehr
von der sozialen Umgebung führt. Das erste Zeichen dieser
Haltung ist ein auffälliges "aggressives Verhalten".
Dauernde Zerknirschung
Traten in der prodomalen Phase zeitweise Gewissensbisse
auf, entsteht jetzt eine "dauernde Zerknirschung" durch
Schuldgefühle. Diese Belastung ist ein neuer Anlass zum
Trinken.
Vorübergehende Abstinenz
Dem sozialen Druck folgend, durchläuft der Kranke jetzt
"Perioden völliger Abstinenz".
Änderung des Trinksystems
Er findet eine andere "Methode" sein Trinken unter
Kontrolle zu halten: Er glaubt, seine Schwierigkeiten
kontrollieren zu können, indem er sich bestimmte Regeln
aufstellt. Er versucht, nicht vor einer bestimmten
Tageszeit, nur an bestimmten Orten oder nur diese oder
jene Alkoholart zu trinken.
Isolation
Das Unverständnis der Umgebung ("ein Glas Wein schadet
doch nicht") verstärkt diese Haltung noch. Die enorme
Energieaufwendung in seinem Kampf schafft Feindseligkeit
gegen seine Umgebung und er beginnt "Freunde fallen zu
lassen" und "Arbeitsplätze zu verlassen".
Wechsel der Arbeitsplätze
Diese Phase ist gekennzeichnet durch Verlust der Arbeit
und Fallenlassen durch Bekannte. Meist übernimmt der
Kranke selbst die Initiative und kündigt Freundschaften
und Arbeitsplätze als vorausschauende Verteidigung.
Interessenverlust, Selbstmitleid
Alle Gedanken konzentrieren sich auf den Alkohol. Er
richtet den Tagesablauf darauf aus, wie Tätigkeiten sein
Trinken stören könnten, nicht wie sein Trinken die Arbeit
beeinflusst. Äußere Interessen gehen verloren und es
entwickelt sich ein "auffallendes Selbstmitleid".
Flucht
Isolation und Erklärungen haben ein unerträgliches Maß
angenommen. Der Kranke unternimmt "gedankliche" oder
tatsächliche geografische Flucht ("Ortswechsel").
Änderungen im Familienleben
Frau und Kinder, die den Trinkenden oft immer noch
"decken" (Co-Alkoholismus), ziehen sich aus Angst aus dem
gesellschaftlichen Leben zurück oder entwickeln im
Gegenteil ausgiebige Aktivitäten, um aus dem häuslichen
Umfeld zu entkommen.
Grundloser Unwille
Diese und andere Vorkommnisse lassen einen "grundlosen
Unwillen" beim Alkoholsüchtigen entstehen.
Sichern des Alkoholvorrates
Der Süchtige versucht, sich einen ständigen Vorrat an
Alkohol zu sichern. Das Fehlen von "Stoff" veranlasst
abenteuerliche Beschaffungsversuche. Er legt Verstecke an
unmöglichen Orten an (leerer Aktenordner, Werkzeugkiste,
Blumenbeete, WC-Spülkasten).
Vernachlässigung der Ernährung
Eine angemessene Ernährung wird vernachlässigt. Das
verstärkt die schädliche Wirkung des Alkohols auf den
Organismus zusätzlich.
Krankenhauseinweisungen
Es folgen die ersten Einweisungen in ein Krankenhaus wegen
irgendwelcher alkoholbedingten Beschwerden (tiefe
Depression, Bewusstlosigkeit, eruptive Gastritis u.a.m.).
Abnahme des Sexualtriebes
Eine von vielen organischen Auswirkungen ist der Verlust
des Sexualtriebes. Dadurch entsteht Feindschaft gegen den
(Ehe)Partner, bei dem als Erklärung außerehelicher Verkehr
vermutet wird: "alkoholische Eifersucht".
Morgendliches Trinken
Gewissensbisse, Unwillen, Kampf zwischen Sucht und
Pflichten, Selbstwertverlust, Zweifel und falsche
Ermutigung haben den Kranken so weit zerrüttet, dass er
den Tag nicht mehr ohne Alkohol kurz nach dem Aufstehen
oder schon vorher beginnen kann. Es kommt zum
"regelmäßigen morgendlichen Trinken".
In der kritischen Phase ist Trunkenheit die Regel. Sie ist
noch auf den Nachmittag und die Abendstunden beschränkt,
führt aber schließlich zum morgendlichen Trinken. Die
kritische Phase ist gekennzeichnet vom heftigen Kampf des
Kranken gegen den Verlust der sozialen Basis. Er kann
seiner Arbeit noch nachgehen, bekommt aber zunehmend
Schwierigkeiten, die Familie wird vernachlässigt. Der
moralische und körperliche Widerstand des Süchtigen gegen
das drohende Unheil wird im Verlauf der kritischen Phase
immer schwächer.
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Die chronische Phase
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Das Ende:
Alkohol zerstört den Menschen
Verlängerter Rausch
Die alles beherrschende Rolle des Alkohols und das
Verlangen ("Craving") durch morgendliches Trinken
brechen schließlich jeden Widerstand des Süchtigen. Er
findet sich tagsüber und mitten in der Woche schwer
betrunken. In diesem Stadium verharrt er einige Tage,
bis er völlig unfähig ist, irgendetwas zu unternehmen.
Ethischer Abbau
Die ausgedehnten Exzesse haben einen bemerkenswerten
"ethischen Abbau" und eine "Beeinträchtigung des
Denkens" zur Folge, die jedoch nicht irreversibel sind.
Alkoholische Psychosen
Bei etwa 10 % aller Alkoholiker können jetzt auch echte
"alkoholische Psychosen", d. h. alkoholische
Geistesstörungen auftreten.
Trinken mit Personen weit unter Niveau
Der Verlust der Moral ist so hoch, dass der Süchtige mit
Personen weit unter seinem Niveau trinkt.
Zuflucht zu technischen Produkten
Wenn nichts anderes vorhanden ist, werden auch
technische Produkte, wie Haarwasser, Rheumamittel,
vergällter Alkohol, Parfüms u.a.. getrunken.
Verlust der Alkoholtoleranz
Zu dieser Zeit wird gewöhnlich auch der Verlust der
Alkoholtoleranz bemerkt, er verträgt weniger.
Undefinierbare Ängste, Zittern
Undefinierbare Ängste und Zittern werden eine
Dauererscheinung. Sie treten auf, sobald der
Alkoholspiegel im Körper sinkt (Entzugserscheinungen).
Also kontrolliert der Süchtige dieses Symptom mit
Alkohol. Das trifft auch für die "psychomotorischen
Hemmungen" zu, etwa die Unfähigkeit, eine Uhr
aufzuziehen, ohne vorher Alkohol zu trinken.
Besessenes Trinken
Die Notwendigkeit, diese Entzugssymptome zu beseitigen,
übertrifft alle anderen Bedürfnisse. Das Trinken nimmt
der "Charakter einer Besessenheit" an.
Unbestimmte religiöse Wünsche
Bei vielen Süchtigen, etwa 60 %, entwickeln sich
"unbestimmte religiöse Wünsche", während die
Erklärungsversuche schwächer werden.
Erklärungssystem versagt
Im Laufe der ausgedehnten Exzesse werden die Erklärungen
so häufig der unbarmherzigen Wirklichkeit
gegenübergestellt, dass das gesamte "Erklärungssystem
versagt". Die eigene Niederlage wird vom Süchtigen
zugegeben.
Zusammenbrüche
Als Folge des Eingeständnisses der Niederlage erlebt der
Kranke oftmals seelische Zusammenbrüche schwerster Art,
die in jedem Fall eine ärztliche Behandlung notwendig
machen. Selbstmordversuche sind in diesem Stadium nicht
selten.
Alkoholdelirium
Ein Teil der Kranken zeigt als Folge des Weitertrinkens
das Phänomen des gespaltenen Menschen. Die
Persönlichkeit wandelt sich. Das Phänomen der Spaltung
tritt besonders deutlich in den Alkoholpsychosen hervor
und ist vielfach an Sinnestäuschungen gebunden (Hören
von Stimmen und visuelle Täuschungen). Diese
Krankheitsform wird als "Alkoholdelirium" oder auch als
"Prädelir" bezeichnet. Die schwerste und
lebensbedrohliche Form ist das "Delirium tremens", das
bei plötzlichen Alkoholentzug auftreten kann. In 20 %
der Fälle endet das Delirium tremens tödlich.
Hilfe
In dieser (End-)Phase ist der Kranke am ehesten bereit,
Hilfe von außen anzunehmen. Eine Einweisung in eine
Entgiftungsklinik (nicht in ein Allgemein-Krankenhaus)
ist für ihn lebensrettend und der mögliche Einstieg in
eine Entwöhnungsbehandlung.
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