3. März
"Warum hast du es so eilig?" fragte der Rabbi. "Ich laufe
meiner Lebendigkeit nach", antwortete der Mann. "Und woher weißt
du", sagte der Rabbi, "dass deine Lebendigkeit vor dir herläuft und
du dich beeilen musst? Vielleicht ist sie hinter dir und du brauchst
nur innezuhalten."
Geschichte von Rabbi Ben Meir aus Berdichev
Die meisten von uns haben die allgemein gültigen Vorstellungen, die man uns beigebracht hat, übernommen. Zum Beispiel: »Ein Mann muss ein guter Familienvater sein und seine Familie ernähren können« oder »Selbstwertgefühl entsteht durch harte Arbeit« oder »Es ist besser, nicht zuviel Zeit zum Nachdenken zu haben.«
Geraten wir dann in eine schwere Krise, kann es geschehen, dass unsere Ansichten ins Wanken geraten. Vielleicht stirbt ein Mensch, der uns nahe steht, und wir sind plötzlich mit der Begrenztheit unseres Lebens konfrontiert. Oder wir geraten in eine gesundheitliche Krise, in eine Beziehungskrise oder in die bedrohliche Situation der Abhängigkeit. Unsere alten Vorstellungen brechen zusammen. Wir sind gezwungen, genauer hinzusehen und tiefer gehende Fragen zu stellen.
Jagen wir einem Ziel nach, das erstrebenswert ist? Verlieren wir uns selbst in all unserer Eile?
Diese Zweifel können ganz persönliche Lehren sein, die uns kein anderer Mensch erteilen kann. Weisheit entsteht aus Schmerz und aus der Bereitschaft, aus ihm zu lernen.
Heute will ich mir Zeit nehmen, innezuhalten und nachzudenken.