Der Engel des Teilens

Lebendigkeit können wir nur erfahren, wenn wir sie mit anderen teilen. Geteilte Freude ist doppelte Freude. Geteiltes Leid ist halbes Leid. In unserer Seele haben wir Menschen immer schon Anteil am anderen. Unsere Seele greift über unseren Leib hinaus. Sie kommuniziert mit anderen Seelen. In ihr sind wir mit den Menschen in unserer Nähe verwoben. Und unsere Seele hat teil an Gott. Es gehört zu unserem Wesen, dass wir unser Leben mit anderen teilen. Das fängt damit an, dass wir den Raum, in dem wir leben, mit anderen teilen. Du lebst nicht allein in deinem Haus. Du teilst den Raum mit anderen, die du immer wieder antriffst. Der Engel des Teilens möchte dich anleiten, deine Zeit mit anderen zu teilen. Wenn du deine Zeit alleine für dich haben möchtest, wird sie auf Dauer langweilig. Die Zeit, die du für dich alleine hast, wird nur eine lebendige Zeit sein, wenn du sie mit Gott teilst. Sonst würdest da ja nur um dich kreisen. Der narzisstische Selbstgenuss wird irgendwann einmal schal. Wenn du deine Zeit mit anderen teilst, wirst du oft genug erleben, wie sie eine erfüllte Zeit wird. Manchmal denkst du, du hast noch so viel zu tun. Du brauchst die Zeit für dich. Natürlich brauchst du auch genügend Zeit für dich. Nur muss es immer wieder Zeiten geben, die du mit anderen teilst. Wenn du deine Zeit mit einem Bruder oder einer Schwester teilst, obwohl du eigentlich keine Zeit hast, kannst du dich manchmal beschenkt fühlen. Du erlebst, wie die geteilte Zeit dich mit neuen Ideen und neuer Lebendigkeit erfüllt.

Zum Teilen gehört es auch, dass wir unsere Güter miteinander teilen. Besitz kann isolieren. Wer nur über seinen Besitz wachst, der muss sich anderen gegenüber abschotten. Ob eine Gemeinschaft bereit ist, das Leben miteinander zu teilen, zeigt sich gerade daran, ob die Einzelnen bereit sind, auch ihr Geld miteinander zu teilen. Wenn keiner den anderen in sein Geldverhalten hineinschauen lässt, wenn jeder mit aller Kraft seinen Privatbesitz verteidigt, dann entsteht eine immer größere Distanz zueinander. Soziale Spannungen entstehen, weil die Reichen ihren Besitz für sich alleine wollen und nicht bereit sind, ihre Güter mit den Armen zu teilen. Das gilt auch für ganze Völker. Kriege entstehen immer dann, wenn Völker sich auf Kosten anderer bereichern. Dann wollen die Armen es erzwingen, dass die Begüterten ihre Güter mit ihnen teilen.

Ich kenne Gruppen, in denen jeder Angst hat, der andere könnte eine Idee, die er äußert, für sich benutzen. So kommt kein Gespräch zustande. Man bleibt nur an der Oberfläche. Man ist nicht bereit, seine Gedanken miteinander zu teilen. Aber nur wenn wir Gedanken austauschen und miteinander teilen, können neue Gedanken entstehen, werden wir bereichert durch den gegenseitigen Austausch. Auch unsere spirituellen Erfahrungen sollten wir miteinander teilen. Nur so werden sie auch für andere fruchtbar. Wenn wir auf unseren Erfahrungen sitzen bleiben, können wir sie auch nicht dankbar genießen. Aus Angst, andere könnten an unseren Erfahrungen teilhaben, verschließen wir uns ihnen gegenüber und isolieren uns selbst.

Der Engel des Teilens möchte dir Mut machen, dein Leben mit anderen Menschen zu teilen. Dann wirst du die beglückende Erfahrung machen, dass dein Teilen reichlich belohnt wird. Denn wenn du bereit bist zu teilen, werden auch die Menschen ihr Leben mit dir teilen. Du hast teil an der Vielfalt und dem Reichtum der Menschen. Der Engel des Teilens möchte dir aber auch zeigen, das Gott selbst bereit ist, sein göttliches Leben mit dir zu teilen. Gott will sich nicht für sich selbst behalten. Er ist in Jesus Christus herabgestiegen, um seine Gottheit mit uns Menschen zu teilen. Die Liturgie besingt den wunderbaren Tausch, den Gott mit uns macht: „Gott wird Mensch, damit der Mensch Gott wird.“