Der Engel des Lichts
Licht gehört zu den stärksten menschlichen Erfahrungen. Es bedeutet Leben,
Heil, Glück, Hoffnung, strahlende Schönheit. Es vertreibt die Finsternis, die
bedrohlich und Angst machend sein kann, es ordnet das Chaos, das wir mit dem
Dunkel verbinden. Die Sprache der Religionen knüpft seit alters an diese
Bedeutungen des Lichtes und seiner tiefen Symbolik an. In der christlichen
Taufe wird dem Vater des Kindes eine brennende Kerze überreicht. Es gibt das
schöne Ritual, dass dann alle Kinder an der Taufkerze ihre Kerzen anzünden.
Deutlich wird dadurch: Durch jedes Kind kommt ein Licht in die Welt, wird
unsere Welt heller und wärmer. Manchmal haben wir auch das Gefühl, dass unser
Zimmer heller wird, wenn ein bestimmter Mensch eintritt. Menschen, die uns
lieben, werden für uns zu einem Licht. In ihrer Nähe hellt sich unser Gesicht
auf. Bei manchen spürt man die Kälte, die von ihnen ausgeht. Bei anderen wird
einem warm ums Herz. Die Kunst stellt die Heiligen mit einem Heiligenschein
dar. Sie weiß darum, dass ein Mensch, der innerlich erleuchtet ist, auch einen
hellen Schein nach außen abgibt. Er hat eine helle Aura. Böse Menschen, so
sagt man und so empfinden es viele, haben einen dunklen Blick. Auch von ihrem
Leib geht etwas Dunkles aus.
Er Engel des Lichts möchte dich erleuchten, damit du selbst für andere zum
Licht werden kannst. Du kannst aber nur zum Licht werden, wenn du das Licht
deines Engels hineinstrahlen lässt in deine innere Dunkelheit. Licht und
Dunkelheit gehören zusammen. Es gibt kein Licht ohne Dunkelheit. Das Licht
muss die Dunkelheit durchdringen. Du musst das göttliche deines Engels in alle
dunklen Abgründe deiner Seele leuchten lassen. Dann wird alles in dir zum
Licht. Alles wird durchlässig für das Licht aus der Wirklichkeit des Heiligen.
Erleuchtung ist das Ziel allen geistlichen Strebens. Die frühen Mönche
sprechen davon, dass die Seele selber zu einem Licht wird. Wenn wir uns von
Gottes Licht immer mehr verwandeln lassen, dann können wir das innere Licht
sehen. Wenn wir meditieren, dann sehen wir in unserem Herzen ein Licht.
Evagrius Ponticus, ein Mönch aus dem 4. Jahrhundert, spricht davon, dass die
Seele dann wie ein Saphir leuchtet. Wenn wir zu diesem Zustand der
Kontemplation gelangen, so meint Evagrius, ist ein Engel uns nahe. Er bringt
uns Licht und bewirkt in uns ein tiefes Gefühl des Vertrauens. „Engel werden
dich begleiten und dir den Sinn der ganzen Schöpfung erschließen“ (Evagrius,
Über das Gebet 80). Das innere Licht erhellt uns auch die Schöpfung. Wir
werden dann in jeder Blume und in jedem Grashalm ein Licht und eine Liebe
entdecken, die die ganze Schöpfung trägt.
Die Schönheit der Schöpfung erstrahlt im Licht dieser Liebe. Wer die
Wirklichkeit in diesem Licht sieht, dessen Seele wird selber hell und voll
Freude. Licht hat nach der Tradition auch mit Schönheit zu tun. Für die
griechische Philosophie scheint uns im Guten, Wahren und Schönen Gott, der
Urgrund allen Seins, selbst auf. Das Ziel der Seele ist es, zu Gott
aufzusteigen, damit sie vom überströmenden Glanz überschöner Göttlichkeit
übergossen wird. Gregor von Nazianz meint, die Engel seien so trefflich nach
Gottes Schönheit geschaffen, dass sie uns das göttliche Licht mitteilen. Für
ihn haben die Engel also eine enge Beziehung zur Schönheit.
Der Engel des Lichts macht dir den Blick hell, damit du all das Schöne
wahrnehmen kannst, das die Welt dir anbietet. Da ist zunächst dein schöner
Leib. Ich erlebe immer wieder Menschen, die ihren Leib nicht annehmen können,
weil er nicht so gestaltet ist, wie es die heutige Mode möchte. Aber jeder
Leib ist schön und gut. Die Voraussetzung für die Schönheit des eigenen Leibes
ist, dass ich einverstanden bin mit ihm. Wenn ein Mensch mit sich im Einklang
lebt, dann strahlt sein Gesicht etwas Schönes aus. Harmonie und Freude werden
darin zu lesen sein. Wenn du an deine eigene Schönheit glaubst, wird deine
Ausstrahlung heilend sein. Dieses Licht wird deiner Seele gut tun. Und es wird
zurückstrahlen.
Vielleicht hast du es schon einmal erlebt, dass sich ein Gesicht aufhellt,
wenn du es freundlich angestrahlt hast. Wenn der Engel des Lichts bei dir ist,
dann wirt du selbst zu einem Licht für andere. Dann strahlt aus deinen Augen
etwas, das andere ansteckt. Dann werden durch dich auch die Augen der anderen
hell. Und es geht von dir eine Wärme aus. Es gibt das warme Licht, in dem wir
uns wohl fühlen. Dem gleißenden Neonlicht weichen wir eher aus. Da fühlen wir
uns nicht geborgen, sondern eher durchschaut, durchleuchtet und analysiert.
Das warme Licht, das dein Engel ausstrahlt, schenkt ein Gefühl von Heimat und
Geborgenheit. Es lädt ein, auszuruhen. Es verbreitet eine aufhellende
Stimmung.
Ich wünsche dir, das der Engel des Lichtes deine Seele immer mehr erleuchtet,
dass das Licht in die finsteren Schluchten deines Inneren eindringt und sie
durch seinen Strahl verwandelt in bewohnbare Räume. „Wenn dein ganzer Körper
von Licht erfüllt und nichts Finsteres in ihm ist, dann – so sagt Jesus – wird
er so hell sein, wie wenn die Lampe dich mit ihrem Schein beleuchtet“ (Lk
11,36). Dein ganzer Leib wird dann Licht ausstrahlen. Du wirst wie mit einem
Schein umhüllt, mit einer hellen und angenehmen Aura umgeben sein. Wenn du
Licht geworden bist, dann wirst du selbst zum Engel des Lichts für andere
werden. In deiner Nähe werden sich die Menschen wohl fühlen und ihre Stimmung
wird sich aufhellen.