Der Engel des Lächelns

Lächeln können wir auf verschiedene Weise. Da gibt es das hinterhältige Lächeln. Da tut einer nach außen hin freundlich, in Wirklichkeit aber führt er Böses im Schilde. Da gibt es das Fassadenlächeln, wie es in der Operette besungen wird: "Immer nur lächeln, niemals betrübt, doch wie´s da drin aussieht, geht niemand was an." Oder Menschen lächeln, wenn sie uns ihre schwersten Verletzungen erzählen. Dann ist ihr Lächeln Abwehr gegen den Schmerz, den sie eigentlich empfinden. Oder es ist das fromme Lächeln, das manchmal zu einer Maske wird. Solche Formen des Lächelns stoßen uns eher ab. Und für sie wollen wir den Engel des Lächelns auch nicht bemühen.

Was der Engel des Lächelns uns lehren möchte, das zeigt uns der Künstler der Erzengel am Bamberger Dom. Er stellt die Engel mit einem schmitzten und zugleich beseligten Lächeln dar. Ihr Lächeln ist Ausdruck einer inneren Erfahrung. Offensichtlich spüren diese Engel noch das Paradies, aus dem sie kommen und an dem sie auch jetzt teilhaben. Es ist ein Lächeln innerer Überlegenheit. Die Welt mit ihrer Unruhe und ihrem Lärm kann den Engeln am Portal des Bamberger Doms nichts anhaben. Sie kommen aus einer anderen Welt, und sie sind auch, wenn sie hier für uns sichtbar sind, doch in eine andere Welt eingetaucht, in die Welt der Liebe Gottes. Bei diesen Engeln des Lächelns sollen wir in die Schule gehen. Von ihnen könnten wir wichtige Haltungen unserer Seeler lernen. Sie möchten uns in Berührung bringen mit unserer Seele, die etwas Leichtes in sich hat, weil sie zwar in dieser Welt ist, aber doch aus einer anderen Welt stammt.

Als Erstes könnten wir vom Engel des Lächelns das Lächeln über uns selbst lernen. Wir würden uns selbst dann nicht so tierisch ernst nehmen. Wenn wir einen Fehler machen, dann beschimpfen wir uns nicht, sondern wir lächeln darüber. Wir haben uns wieder einmal bei unserem alten Muster ertappt. Das Lächeln entwaffnet. Es nimmt uns die Waffen aus der Hand, mit denen wir sonst gegen uns wüten. Im Lächeln sind wir einverstanden mit uns selbst. Da gehen wir milde mit uns um. Lächeln verrät unser Wissen um tiefere Dinge. Wir bleiben nicht an der Oberfläche unseres Versagens oder unserer Peinlichkeiten stehen, sondern schauen tiefer. Es geht uns nicht um unseren Ruf nach außen, auch nicht um den Ehrgeiz, gut dazustehen. Wir spüren im Lächeln, dass es eigentlich um anderes geht, um das bedingungslose Geliebtsein von Gott, um unsere innere Stimmigkeit und unser Gegründetsein in Gott.

Wenn der Engel des Lächelns bei uns ist, dann reagieren wir auch auf Menschen mit einem freundlichen Lächeln, wenn sie missmutig auf uns zukommen. Da lächelt eine Verkäuferin den unzufriedenen Kunden an, statt sich über ihn zu ärgern. Es ist kein Auslachen und auch kein erzwungenes Lächeln, weil sie als Verkäuferin keine Wut zeigen darf, auch kein Lächeln aus Berechnung, um mehr zu verkaufen. Es ist vielmehr ein Lächeln, das aus der Tiefe kommt, aus einem tiefen Verständnis für den anderen. Der andere darf so unzufrieden sein. Ich versuche ihn zu verstehen. Vielleicht hat er seine Arbeitsstelle verloren. Vielleicht hat er Schwierigkeiten in seiner Familie. Oder aber es geht ihm langsam auf, dass man mit Geld nicht alles kaufen kann, dass der äußere Reichtum einen nicht zufrieden stellen kann. Die Verkäuferin, die lächelnd reagiert, gibt dem mürrischen Kunden die Möglichkeit, Abstand von seiner Unzufriedenheit zu bekommen, in der er sich eingerichtet hat. Sie macht ihm keinen Vorwurf. Sie will ihn nicht ändern. Sie bietet ihm nur an, sein Leben von einer anderen Warte aus zu sehen. Oft genug steckt das Lächeln an. Wenn der Kunde das Lächeln der Verkäuferin wahrnimmt und sich davon berühren lässt, dann wird sich auch sein Gesicht aufhellen. Er wird spüren, dass er alles nur mit seiner schwarzen Brille gesehen hat.

Die Krankenschwester, die lächelnd in das Zimmer der Patienten tritt, erzeugt eine Atmosphäre, in der sich die Kranken wohl fühlen, in der sie sich angenommen wissen. Manche sagen dann spontan: "Sie sind ein Engel. Sie haben immer gute Laune. Sie verbreiten um sich immer eine angenehme Stimmung. Sie strahlen so viel Freude aus." Lächeln ist eine aktive Reaktion. Die Krankenschwester lässt sich nicht bestimmen von der Empfindlichkeit des Patienten oder von seinen Überansprüchen. Sie geht aktiv auf die Kranken zu. Mit ihrem Lächeln bietet sie ihnen neue Möglichkeiten an, mit ihrer Krankheit umzugehen. Sie vermittelt ihnen, dass sie sich gerne um sie kümmert, dass sie liebenswerte Menschen sind. Wenn sie lächelnd über spitze Bemerkungen oder Ausbrüche der Unzufriedenheit hinweggeht, dann erfriert in ihr das Lächeln nicht zur Maske. Sie versteht und akzeptiert, dass Kranke auch unzufrieden sein können und dürfen. Aber sie legt die Kranken nicht auf ihr Murren und Schimpfen fest. Sie sieht tiefer. Sie erkennt die Sehnsucht nach Geliebtwerden. Mit ihrem Lächeln weckt sie diese Sehnsucht nach Liebe und Freude auf.

Ich wünsche dir den Engel des Lächelns, damit du mit dir selbst verständnisvoller und zärtlicher umgehst und damit du die Menschen um dich anstecken kannst zu neuer Lebensfreude. Der Engel des Lächelns möge dich in Berührung bringen mit der Tiefe deiner Seele, in der du manches nicht mehr so wichtig nimmst, was um dich herum geschieht. Er möge dir zeigen, dass duz wie die Engel schon jetzt an einer anderen Welt teilhast, die alles relativiert, was dir hier widerfährt. Und der Engel des Lächelns möge dich selbst zum Engel machen für viele, die in sich selbst verfangen sind. Der Engel wird zufrieden mit dir lächeln, wenn du ab und zu einen mürrischen und unzufriedenen Menschen zu einem Lächeln bewegen kannst.