Der Engel der kleinen Freundlichkeiten

Die Bibel preist den Wert der Freundlichkeit. „Ein freundliches Wort stärkt und erfreut" (Spr 12,25). Freundlich bin ich immer in Beziehung zu einem anderen. Freundlichkeit schafft Beziehung. Zur Freundlichkeit gehört Wohlwollen, Liebenswürdigkeit, Aufmerksamkeit, Höflichkeit, Entgegenkommen und Zuwendung. Und Freundlichkeit braucht immer ein Medium: den freundlichen Blick, das freundliche Wort, den freundlichen Gruß.

Ein freundliches Wort kostet nicht viel. Und doch geizen wir so sehr damit. Der hl. Benedikt fordert vom Cellerar, dass er immer dann, wenn er nichts zu geben hat, wenigstens ein freundliches Wort seinen Brüdern schenken sollte. Und er begründet es mit dem Hinweis auf Eph 4,29: „Ein freundliches Wort geht über die beste Gabe." Das ist kein billiger Trost. In diesem freundlichen Wort drückt der Cellerar seine Achtung vor dem Bruder aus. Er weist ihn nicht verächtlich zurück. Auch wenn seine Mittel beschränkt sind, nimmt er den Bruder mit seinem Anliegen ernst. Führen durch Freundlichkeit, das wäre eine Management-Philosophie, die mancher Firma gut anstünde. Doch da wird gerade mit Geld Macht ausgeübt. Da geben Verantwortliche den Angestellten das Gefühl, dass sie nichts wert sind, dass es ihnen nicht ansteht, so viel zu erbitten. Wenn der Engel der Freundlichkeit den Chef begleitet, wird er um sich herum eine Atmosphäre der Achtung und der Fröhlichkeit erzeugen, die seiner Firma besser täte als das humorlose Kontrollieren, ob alle ihre Pflicht erfüllen. Das freundliche Wort wird den Mitarbeiter viel eher motivieren als der Hinweis darauf, dass es der Firma so schlecht geht.

Du brauchst den Engel der Freundlichkeit, damit Du den anderen, sobald Du ihn ansprichst, freundlich ansprichst, damit Du den anderen, sobald Du ihn siehst, freundlich anschaust. Es gibt so viele Gelegenheiten, dem Engel der kleinen Freundlichkeiten zu folgen und die Menschen um Dich herum zu beschenken. Natürlich kennst Du auch eine Freundlichkeit, die verzweckt ist. In manchen Geschäften begegnen Dir die Verkäufer zwar freundlich. Aber hinter der Fassade der Freundlichkeit spürst Du die Kälte, den Zwang, möglichst viel zu verkaufen. Solche Freundlichkeiten erfreuen Dich nicht, sie ärgern Dich oder machen dich traurig. Du spürst, wie sich Menschen verstellen müssen. Doch das tut ihnen nicht gut.

Bitte den Engel der kleinen Freundlichkeiten, dass er zuerst Dein Herz verändert, damit Du aus freiem und frohem Herzen ein freundliches Wort sagen, einen freundlichen Blick zuwerfen, einen freundlichen Brief schreiben kannst. Du kannst nur freundlich sein, wenn Du Dich über den Menschen freust, dem Du begegnest. Vielleicht sagst Du, dass in Dir keine Freude über diesen oder jenen Menschen ist und dass Du dem anderen daher auch nichts vormachen möchtest. Der Engel der Freundlichkeit möchte Dich nicht überreden, anderen etwas vorzutäuschen. Er will Dich zuerst zu einer echten Freude über den Menschen führen. Diese Freude verlangt den Glauben daran, dass jeder Mensch ein Geheimnis ist, dass in jedem ein guter Kern steckt, dass Du in jedem Christus selbst begegnest. Wenn Du das glaubst, dann kannst Du Dich auch über einen Menschen freuen, der unzufrieden ist und Dir grimmig entgegenkommt. Du siehst nicht auf das Äußere, sondern auf die Möglichkeiten, die in ihm stecken. Durch Dein freundliches Wort wirst Du die Freude, die in seiner Seele unter dem Kummer und unter der Unzufriedenheit verborgen liegt, hervorlocken. Sein mürrisches Gesicht wird sich aufhellen. Und dann wird er Dich mit Freude erfüllen. Du bist für ihn zum Engel der Freundlichkeit geworden. Und nun wird auch für ihn die Welt freundlicher erscheinen.