Der Engel der Integration
Integration kommt von „integer = unbescholten, makellos, unberührt,
unversehrt, ganz“. Integrieren heißt dann: „heil und unversehrt machen,
wiederherstellen, etwas Ganzes wiederherstellen“. Es gibt Menschen, die andere
integrieren können. Sie schließen niemanden aus der Gemeinschaft aus. Sie
können auch schwierige Mitmenschen integrieren, so dass sie das Gefühl haben,
sie gehören genauso dazu. Auch ihre Fähigkeiten und ihre Eigenheiten sind
gefragt. Sie dürfen sein. Sie werden Teil des Ganzen. Durch sie wird die
Gemeinschaft bunter und reicher. Es gibt aber auch andere Menschen, die eher
spalten. Sie können nur die Besten gebrauchen. Die anderen lassen sie links
liegen. Sie fühlen sich ausgegrenzt, unbrauchbar und unnütz.
Heute bräuchten wir viele Engel der Integration, um alle Menschen in unsere
Gesellschaft und in die Gemeinschaft des Dorfes, der Pfarrei und der
kirchlichen Gemeinde zu integrieren. Statt Ausländer auszugrenzen, sollten wir
sie integrieren. Integrieren ist mehr als Dulden und Annehmen. Wir bauen sie
ein in die Gemeinschaft. Sie werden zu wichtigen Bausteinen, ohne die der Bau
der Gemeinschaft nicht bestehen kann. Sie haben eine bedeutende Funktion für
das Ganze. Sie fühlen sich gebraucht und ernst genommen. Ohne Integration
fällt die Gesellschaft immer mehr auseinander. Statt Integration gibt es dann
ein Gegeneinander, einen Kampf um die besten Plätze. Ausgrenzung kränkt und
bewirkt bei den Menschen Resignation oder aber Hass, der sich dann irgendwann
in gewaltsamen Aktionen entlädt.
Andere Menschen integrieren kann nur der, der alle Gefühle, Leidenschaften,
Sehnsüchte und Mächte in sich selbst integriert hat. Integration ist mehr als
Selbstbeherrschung. Es geht nicht nur darum, sich nicht von den Leidenschaften
beherrschen zu lassen, sondern um eine Integration der Leidenschaften in das
Ganze des Lebens. Wenn sie integriert sind, dann dienen sie allem, was ich
tue. Dann wird meine Spiritualität leidenschaftlicher und lebendiger. Die
integrierte Leidenschaft wird meine Arbeit befruchten, meine Beziehungen
intensiver gestalten, meinen Einsatz für andere stärken. Eine wichtige Aufgabe
menschlicher Selbstwerdung wäre heute die Integration der Sexualität. Wenn
Sexualität abgespalten wird, dann wirkt sie sich verheerend auf die Psyche des
einzelnen aus, aber auch auf das Miteinander. Man schnüffelt dann ständig in
der Privatsphäre des anderen herum und spioniert seine sexuelle Veranlagung
aus. Integration ist auch mehr als Sublimierung. Von Sublimierung spricht man,
wenn auf die Sexualität um höherer Beweggründe willen verzichtet wird.
Integration aber heißt, dass sie hineinfließt in alles, was ich tue, in mein
Gebet, in meine Beziehungen, in meine Arbeit, in meinen Leib, in meine Seele.
Wer alles, was er in sich entdeckt, in seine Seele integriert, der ist in
Wirklichkeit integer. Er ist makellos und ganz. Dann gibt es nichts mehr in
ihm, das nicht dem höheren Ziel dient: der Einswerdung mit Gott. Alles ist auf
Gott bezogen. Nichts kann aus der Beziehung zu Gott herausfallen. Wenn der
Engel der Integration dich zu solcher Einheit geführt hat, dann wird er dich
auch befähigen, die Menschen um dich herum in die Gemeinschaft zu integrieren.
Der Engel wird dich mit Phantasie begaben, damit du erkennst, wie die Gaben
des einzelnen gut in das Ganze passen und wie jeder zu einem wertvollen
Baustein für das Ganze werden kann.