Der Engel der Hoffnung

Hoffnung ist die vertrauende Erwartung einer guten Zukunft. Paulus sieht Glaube, Hoffnung und Liebe zusammen. Und die Theologie hat daraus die Lehre von den drei göttlichen Tugenden gemacht. Die Hoffnung ist also nicht eine bloß menschliche Fähigkeit. Sie wird uns vielmehr von Gott in unsere Seele gesenkt. Sie ist der Widerschein Gottes in unserer Seele. Sie befähigt uns, gegen alle Hoffnungslosigkeit und Resignation an der Hoffnung auf ein Gelingen unseres Lebens festzuhalten. Die Theologie nennt das Hoffnung auf Heil und Erlösung. In unserer Zeit wurden neue Entwürfe einer Theologie der Hoffnung geschrieben. Der atheistische Philosoph Ernst Bloch hat ein großes Werk verfasst mit dem Titel „Prinzip Hoffnung“. Darin beschreibt er, wie der Mensch in allem über sich hinausgreift in eine bessere Zukunft, letztlich in das Land der Verheißung, das in der christlichen Tradition mit Paradies benannt wird. Im Tanz, in der Musik, in der Architektur, in allem drückt der Mensch seine Hoffnung auf eine bessere Welt, auf mehr Freiheit, mehr Schönheit, mehr Liebe, ja letztlich auf Heimat aus. Der Mensch ist sich nicht genug. Er hat eine unstillbare Sehnsucht nach Glück. Er träumt von einer schöneren Zukunft.

Hoffnung ist nicht nur etwas Privates. Sie will uns dazu aufrufen, uns für die Armen einzusetzen und unsere Hoffnung gerade für die Hoffnungslosen fruchtbar werden zu lassen. Die Hoffnung ermöglicht uns einen Einsatz für diese Welt, ohne zu resignieren bei den vielen Rückschlägen, die wir einstecken müssen. Heute ist die Zeit der großen Hoffnungen vorbei. Die Postmoderne erhofft sich nicht mehr viel. Sie traut den Sehnsüchten nicht. Sie gibt sich nüchtern, oft genug zynisch. Gerade deshalb müssen wir den Engel der Hoffnung bitten, uns und die in Politik und Wirtschaft Verantwortlichen zu begleiten.

Hoffnung greift über das Sichtbare hinaus. Ich sehe noch nichts, was geschehen könnte. Aber ich hoffe darauf. Ich hoffe, dass es dem Kranken besser geht und dass er wieder gesund wird. Ich hoffe, dass ich von der Reise gut und gesund zurückkehren werde. Ich hoffe, dass die Prüfung gelingt. Ich hoffe, dass die gemeinsamen Besprechungen zu einem guten Ergebnis führen. Ich hoffe, dass sich meine Entscheidungen für die Firma positiv auswirken. Dabei geht unsere Hoffnung aber immer weiter als auf das, was jetzt noch nicht sichtbar ist. Hoffnung richtet sich auf das Unsichtbare, auf das Heil, das Gott an uns endgültig in unserem Tod wirken wird.

Man hat der christlichen Hoffnung vorgeworfen, sie sei Vertröstung auf das Jenseits. Aber im politischen Kampf um eine bessere Zukunft, um eine gesündere Umwelt, um gerechtere Strukturen haben die Menschen zur Genüge erfahren, dass eine rein diesseitige Hoffnung in die Verzweiflung und Resignation führt. Mir erzählte ein junger Mann, der sich für den Umweltschutz engagierte, dass er immer unzufriedener und für seine Umwelt unausstehlicher würde. Er sei Atheist. Er sei nur deshalb ins Kloster gekommen, um in seinem Einsatz für eine bessere Umwelt den eigenen Frieden wieder zu finden. Er spürte, dass er über das konkrete Ziel der ökologischen Projekte hinausschauen müsste, um nicht zu verzweifeln. Die Hoffnung lässt uns gelassen und – wie Paulus sagt – geduldig und treu weiterarbeiten an einer besseren Zukunft. Sie weiß, dass wir hier nie das Paradies verwirklichen können. Der Glaube an das jenseitige Paradies entlastet uns von allem verkrampften Bemühen um eine heile Welt.

So wünsche ich dir, dass der Engel der Hoffnung dich bei deinem Bemühen begleitet, eine bessere Welt um dich herum zu schaffen, in deiner Familie, in deinem Garten, in deiner Gemeinde, in deinem Land. Du brauchst den Engel der Hoffnung, wenn alle um dich herum sich nur resigniert den Alltagsgeschäften widmen. Lass dich nicht von ihrer Enttäuschung anstecken. Traue der Hoffnung. Sie macht deine Seele weit. Sie gibt deiner Seele Auftrieb, dass sie sich ausrichtet auf das noch Ausstehende, wo wir uns in einem unüberbietbaren Sinn ganz zu Hause fühlen können. Paulus beschreibt das so: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist; das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9)