Der Engel des Gehorsams

Mit dem Engel des Gehorsams tun sich heute viele schwer. Zu sehr hat das Dritte Reich den Gehorsam ad absurdum geführt. Du wurde der Befehl von Menschen absolut genommen. Wir sind aber nicht in erster Linie Menschen Gehorsam schuldig, sondern Gott. Schon Petrus sagt zu den Hohen Priestern: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29). Gehorchen kommt von horchen, hören, aufmerksam zuhören. Gehorsam verlangt, dass ich auf Gottes Stimme in mir selbst höre. Gott spricht zu mir in meinen Gefühlen und Leidenschaften, in meinen Konflikten und Problemen, in meinen Träumen, in meinem Leib und in meinen Beziehungen. Da muss der Engel des Gehorsams zu Hilfe kommen, damit ich Gottes Stimme in meinen Träumen vernehme. Aber es genügt nicht, auf den Traum nur zu hören. Ich muss auch auf Gottes Stimme antworten und gehorsam das tun, was ich als Gottes Stimme erkannt habe. Oder was will Gott mir in meinen Krankheiten sagen, in meinen Rückenschmerzen, in meinen Magengeschwüren, in meinem Kopfweh? Gehorsam heißt, dass ich nicht nur einfach zuhöre, sondern auch die Konsequenzen draus ziehe. In der Krankheit fordert mich Gott auf, meinen Lebensstil zu ändern, besser auf meinen Leib und meine Gefühle zu hören und im Einklang mit der inneren Stimme zu leben. Es gibt Menschen, die zwar auf die Autorität der Kirche hören und alles peinlich genau befolgen, was die Kirche vorschreibt. Dennoch sind sie nicht gehorsam. Denn sie weigern sich, auf Gottes Stimme in ihrer eigenen Wirklichkeit zu hören und ein Leben zu führen, das ihrem eigentlichen Wesen entspricht.

Gehorsam hat nichts damit zu tun, dass ich Gebote befolge. Ich kann nicht auf ein Gebot horchen, sondern immer nur auf eine Person. Und die eigentliche Person, der ich Gehorsam schulde, ist Gott. Aber mit Gott schulde ich auch mir selbst Gehorsam. Ich muss auf mich hören, auf meine Lebensgeschichte, auf meine Stärken und Schwächen, damit ich das Bild lebe, das Gott sich von mir gemacht hat. Gehorsam heißt, dass ich in Übereinstimmung mit meiner eigenen Wahrheit lebe, dass ich nicht in ständiger Opposition zu meiner Wirklichkeit stehe, sondern mich aussöhne mit mir, so wie ich geworden bin. Gehorsam heißt daher, ja sagen zu mir selbst, mich selbst und die Wirklichkeit meines Lebens annehmen.

Wir definieren Gehorsam meistens als Hören auf andere Menschen, gerade auf Autoritätspersonen. Aber der Gehorsam anderen gegenüber ist letztlich nur ein Hören auf die Gemeinschaft, in der ich stehe. Ich bin nicht allein auf der Welt. Um authentisch leben zu können, muss ich auch auf die Menschen hören, die um mich herum sind. Es geht nicht darum, mich nach allem zu richten, was ich da höre. Entscheidend ist, dass ich auf die höre, die für die Gemeinschaft Verantwortung tragen. Aber auch ihnen schulde ich nicht einfach blinden Gehorsam. Ich muss vielmehr auch bei ihnen genau hinhören, ob das, was sie sagen, wirklich der Gemeinschaft dient oder ob sie nur ihre Eigeninteressen verfolgen. Eine Autorität ist nie absolut. Nur Gott ist absolut. Ich darf jede Autorität hinterfragen. Aber ich muss zugleich damit rechnen, dass Gott mir gerade auch in den Verantwortlichen etwas Wichtiges zu sagen hat. Sie können mir etwas aufdecken, was ich bei mir selbst überhört habe.

Der Engel des Gehorsams möge dich befähigen, gut auf dich selbst zu hören und in dir Gottes Stimme zu erhorchen, damit du so leben kannst, wie es deinem wahren Wesen entspricht. Der Engel des Gehorsams möchte dich befreien von der Abhängigkeit von Lust und Laune. Du sollt dich nicht einfach treiben lassen, sondern genau hinhören, was für dich stimmt und wie du handeln und leben sollst. Dazu brauchst du den Engel, der deine Ohren schärft und der deinen Willen dafür bereitet, das zu tun, was die Ohren deines Herzens gehört haben.