Der Engel des Friedens
Nach Frieden sehnen wir uns alle. Aber wir finden oft den Weg nicht, der zum Frieden führt. Da brauchen wir einen Engel des Friedens, der uns einführt in das Geheimnis des Friedens, der uns friedlose Menschen befriedet und uns inneren wie äußeren Frieden schenkt. Frieden ist nicht einfach machbar, sondern immer ein Geschenk, mit dem der Mensch verantwortlich umgehen muss. Wenn der Engel des Friedens uns begleitet und unserem Leben Zufriedenheit und Versöhnung schenkt, dann sollten auch wir zu Engeln des Friedens für andere werden. Jesus preist die selig, die Frieden stiften, die zu Friedensengeln in dieser Welt geworden sind.
Wenn wir dem Geheimnis des Friedens nachsinnen, dann ist es sinnvoll, die Sprache zu befragen. Im Hebräischen spricht man vom Schalom. Wenn man sich grüßt, wünscht man sich gegenseitig Schalom, um sich im Schalom alles zuzusprechen, was der Mensch zum Leben braucht: Frieden, Fülle des Lebens, Wohlbefinden, Glück, Zufriedenheit. Die Griechen übersetzen das hebräische Wort Schalom mit "Eirene". Das meint den Wohlstand, aber auch die Ruhe, die Seelenruhe. Friede ist für die Griechen ein Zustand der Ruhe. Es gibt keinen Streit. In so einem Zustand der Ruhe und des Friedens kann der Mensch sich eine gesicherte Existenz aufbauen und zu Wohlstand kommen. Eirene hat auch mit Harmonie zu tun. Alles stimmt miteinander überein und alles passt zusammen. Wenn alles für den Menschen stimmt, dann kann er stimmig leben, in Übereinstimmung mit seinem Herzen, aber auch in Übereinstimmung mit seinen Brüdern und Schwestern. Dann entsteht ein Einklang der Herzen und ein stimmiges Zusammenklingen der äußeren Verhältnisse.
Das lateinische Wort für Frieden "pax" kommt von "pacisci", und das heißt: Verhandlungen führen, einen Pakt schließen, einen Vertrag schließen. Friede entsteht für die Römer, indem sie miteinander sprachen und sich auf gemeinsame Regeln einigten. Im Bund, den man schließt, verpflichten sich beide Partner, die gemeinsamen Abmachungen einzuhalten. Hier wird ein wichtiger Aspekt des Friedens sichtbar. Man muss miteinander sprechen, damit Friede entstehen kann. Wer seine Gefühle unterdrückt, der kann zwar äußerlich Frieden halten. Aber irgendwann werden seine verdrängten Aggressionen hochkommen und den äußeren Frieden gefährden. Gefühle, die nicht ausgesprochen werden, blockieren uns und trennen uns voneinander. Friede war für die Römer nie ein idealer Zustand, der einfach da ist. Er muss erworben werden, indem man sich gemeinsam auf gleiche Grundsätze einigt. Er braucht also Arbeit und Anstrengung. Und er braucht Klarheit. Friede entsteht nur, wenn einer auf den anderen hört, ihm zuhört und im gemeinsamen Hinhören ein Kompromiss entsteht, mit dem alle gut leben können. Es gibt nie den idealen Frieden, sondern immer nur den relativen Frieden, der zwischen zwei Menschen oder zwei Gruppen entsteht.
Das deutsche Wort "Frieden" hat mit "frei" zu tun. "Frei" bedeutet von der indogermanischen Wurzel her: "schützen, schonen, gern haben, lieben". Die freien Personen sind die, die man liebt und daher schützt. Es sind die Freunde, um die herum man einen Schutzwall errichtet, die man befriedet. Friede ist ein geschützter Bereich, in dem sich freie Menschen aufhalten und einander freundschaftlich begegnen. Friede hab aber auch mit Freundschaft und mit Liebe zu tun. Die Germanen haben ihre eigenen Erfahrungen mit dem Frieden gemacht. Sie haben ihre Freunde geschützt, indem sie einen Raum verteidigt haben, in den kein Feind eindringen kann. Sie haben sie eingefriedet, eine Einfriedung, einen Zaun um sie herum gezogen. Dort konnten sie friedlich miteinander leben und einander lieben. Auch für die Germanen ist der Friede nicht einfach da. Er muss geschützt werden. Man muss führ ihn eintreten. Man muss ihn verteidigen.
Es gibt nicht nur den Frieden zwischen den Menschen, sondern auch den inneren Frieden, den Seelenfrieden. Hier geht es darum, dass wir den inneren Bereich unserer Seele schützen und die Feinde unserer Seele nicht eindringen lassen. Für die frühen Mönche war es die wichtigste Aufgabe, den inneren Frieden zu erringen. Das geschah auf zwei Weisen, einmal, indem sie den Raum der Seele schützten vor den Eindringlingen, vor den leidenschaftlichen Gedanken, die vom Menschen Besitz ergreifen möchten. Der zweite Weg bestand darin, dass man die Leidenschaften zwar eintreten ließ, aber mit ihnen verhandelte und sprach. Man wollte ihre Absicht erkunden und sich die Kraft, die in ihnen steckte, zunutze machen. Auf diese Weise wurden aus den Feinden Freunde. Die Leidenschaften dienten der Seele und ihrem inneren Frieden. Sie schützten sie, statt sie zu bekämpfen. Die Mönche machten sich vertraut mit den Leidenschaften und freundeten sich mit ihnen an. Auf diese Weise konnten sie ohne Angst leben. Und sie waren frei von den Projektionsmechanismen, durch die so viele Feindschaften entstehen. Weil sie die Leidenschaften in ihrem Herzen kannten, projizierten sie sie nicht mehr auf die anderen. Wer sich selbst nicht kennt, der entdeckt seine unbewussten Emotionen und Bedürfnisse in den anderen und bekämpft sie dort. So entsteht Feindschaft und Hass. Nur wer mit sich selbst im Frieden lebt, kann auch nach außen hin Frieden schaffen. Wer sich selbst hasst, der verbreitet auch um sich herum Hass. Und wer in sich gespalten ist, der spaltet auch die Menschen um sich herum.
Die Bibel weiß, dass der Mensch von sich aus nicht fähig ist zum Frieden mit sich selbst, mit der Schöpfung und mit den Menschen. Daher muss Gott selbst eingreifen. Er sendet seinen Sohn, Jesus Christus, den großen Friedensbringer Lukas, der griechische Evangelist, verkündet Jesus als den, der anders als der Friedenskaiser Augustus, der ganzen Welt Frieden bringt, ohne Waffen, allein durch seine Liebe. Als er geboren wurde, verkündeten Engel der Welt den Frieden auf Erden. Die Engel öffnen uns die Augen für den Frieden, den wir selber nicht schaffen. Aber die Engel sind nicht nur Künder des Friedens, sondern sie bringen uns auch den Frieden. Die Kunst hat auf Brücken und Plätzen oft Friedensengel dargestellt. Sie sollten die Stadt oder das Land schützen und ihnen den Frieden sichern. Ein Engel des Friedens ist aber nicht nur für das Land verantwortlich, sondern er kümmert sich auch um Deinen inneren Frieden. Er möchte Dich davor bewahren, einen "faulen" Frieden zu schließen, einen billigen Kompromiss. Der Engel des Friedens will Dir die Augen dafür öffnen, dass Frieden nur dort möglich ist, wo alle Beteiligten angemessen zu Wort kommen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Ein Friede, der trägt, muss der Wahrheit Rechnung tragen. Und er kennt keine Sieger und Besiegten. Der Friedensengel möchte, dass Du mit Dir in Einklang kommst. Und er möchte, für alle Menschen Frieden schaffen, einen Frieden, der zugleich Harmonie, Wohlklang, Wohlbefinden, Zufriedenheit, Freiheit, Liebe und Glück bedeutet.
Ich wünsche Dir, dass Du dem Engel des Friedens traust, dass Du Dich von ihm einladen lässt, mit den Feinden deiner Seele ins Gespräch zu kommen, mit den Fremden und Unbekannten um Dich herum zu sprechen, damit Du einen Pakt schließen kannst, der trägt. Nur so kann Frieden entstehen, ein Raum der Liebe und der Freiheit, ein Raum, in dem Wohlstand und Wohlbefinden entstehen, in dem Du mit Dir und mit der ganzen Schöpfung in Einklang kommst, in der etwas von der Harmonie des Paradieses schon ein Deiner Welt aufklingt.