Der Fest-Engel

„Man muss die Feste feiern wie sie fallen", sagt das Sprichwort. Und von Goethe stammt das Wort: „Tages Arbeit! Abends Gäste! Saure Wochen! Frohe Feste!" Feste sind eine willkommene Abwechslung im grauen Alltag. Wer die Feste übergeht, der geht an einer wichtigen Quelle seiner eigenen Lebendigkeit und Lebensfreude vorbei. Es gibt verschiedene Qualitäten von Festen. Da gibt es die Feten. Fete kommt aus der Studentensprache und ist seit dem 18. Jahrhundert bezeugt. Eine Fete feiert man, weil man dazu gerade Lust hat. Natürlich sucht man sich oft genug einen Anlass, den Geburtstag eines Kommilitonen oder ein bestandenes Examen. Oft gibt es auch spontane Feten, die häufig die schönsten sind. Bei solchen Gelegenheiten können sich die besten Gespräche ergeben. Und es gibt die lange geplanten Feste, die Feste zur Verabschiedung des Firmenchefs, die Feste zu einem runden Geburtstag. Da kommt es ganz darauf an, ob man das Fest nur mit äußerem Pomp feiert oder ob die Einladenden kreativ waren und das Fest mit einem liebevollen Herzen vorbereitet haben.

Vom Ursprung her hat Fest immer eine religiöse Bedeutung. Im Fest bricht Gott in unser Leben ein. Im Fest feiern wir die Zustimmung zu unserem Leben. Und wir drücken im Fest unsere Sehnsucht aus nach Heimat und Geborgenheit, nach gelingender Gemeinschaft. Wir spüren, dass unser Leben wertvoll ist. Die griechische Philosophenschule der Stoa meinte, unser Leben sei ein beständiges Fest. Wir feiern jeden Augenblick das Geheimnis unseres Lebens, das Einswerden mit Gott. Jedes Fest hat etwas von lern Hochzeitsfest an sich. Gott feiert mit uns Hochzeit. Gott selbst verbindet sich mit uns und unserem Leben. Daher ist es angemessen, immer wieder ein Fest zu feiern, um uns zu vergewissern, wer wir eigentlich sind, dass unser Leben sich nicht beschränkt auf Arbeiten und Essen, sondern offen ist auf einen weiten, auf einen göttlichen Horizont hin. .

Jeder von uns kennt gelungene Feste, an die er sich gerne erinnert. Da ist das Herz weit geworden. Da war eine dichte Atmosphäre. Da sind Menschen zusammengewachsen, die vorher getrennt nebeneinander her lebten. Da ist der Sinn des Daseins aufgeleuchtet. Aber jeder hat auch schon Feste erlebt, die danebengingen, die zuletzt schal wurden. Die Leute haben zuviel Alkohol getrunken. Statt zu feiern, haben sie sich gestritten. Im Rausch kam all das Unaufgearbeitete aus ihnen heraus. Sie wurden unflätig und unangenehm. Viele gut gemeinte Feste misslingen. Da bleibt alles steif und künstlich. Da wirkt alles unecht und aufgesetzt. Manche können nur mit viel Geld ein Fest feiern. Aber inhaltlich bleibt es armselig. Die Reden sind langweilig und leer. Es gibt keine Rituale, die die Menschen miteinander verbinden.

Da bräuchten wir den Fest-Engel, der uns dazu befähigt, ein Fest zu feiern, das unserem Leben Sinn stiftet, das unser Herz erhebt, das uns miteinander verbindet und eine Atmosphäre erzeugt, in der sich alle wohl fühlen, in der alle spüren: Es lohnt sich zu leben. Es Ist gut, dass wir miteinander feiern. Unser Leben ist wertvoll. Und unser Miteinander ist ein Geschenk. Der Fest-Engel möchte Deine Seele beflügeln, dass sie Phantasie entwickelt, ein Fest zu feiern, das die Feiernden verbindet, das ihnen ihre gemeinsame Wurzel aufzeigt und ihnen Freude aneinander schenkt. Der Fest-Engel tut Deiner Seele gut. Er führt sie an die Quelle, aus der sie schöpfen kann, an den Ort, an dem sie mit ihrem Ursprung und mit ihrem wahren Wesen in Berührung kommt.

Es gibt nicht nur den Fest-Engel, sondern auch den Festtagsdämon. Gerade an Festen wie Weihnachten und Ostern gibt es in den Familien am meisten Streit. Sie möchten miteinander feiern. Aber es gelingt ihnen nicht. An so einem Fest spüren sie, wie ihr Leben seine Wurzel verloren hat, wie es leer geworden ist und schal. Sie können die unter der Decke schwelenden Konflikte nicht mehr verbergen. An den Festtagen treten sie offen zutage. Man möchte an Weihnachten den Frieden in der Familie feiern. Aber man ist ohnmächtig, diesen Frieden durch das Fest herbeizuführen. Bei manchen gerät das Fest aus den Fugen, weil sie keine guten Rituale haben, wie sie feiern könnten. Da trauert man der Stimmung nach, wie man früher Weihnachten gefeiert hat. Es kommt eine Wehmut hoch, in der man umso stärker die Trostlosigkeit spürt, in die man geraten ist.

So wünsche ich Dir, dass der Fest-Engel Dich vor dem Festtagsdämon bewahrt und dass er Dir Feste ermöglicht, die Dein Leben erhellen, von denen Du noch lange zehren kannst.