Der Engel des Dienens
Dienen ist heute bei vielen nicht mehr gefragt. Ich will nicht dienen, ich will über mich selbst in Freiheit bestimmen. Ich will, dass mein Leben gelingt, dass ich ganz ich selbst bin und mich verwirklichen kann. Aber wer nicht dient, macht sich auch nicht verdient. Und er wird ohne Dienen nicht genügend verdienen, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Das griechische Wort, das die Bibel meistens mit „dienen" übersetzt, lautet „diakonein". Es meint eigentlich den Tischdienst. Wer bei Tisch dient, der dient dem Leben, der nährt, der lockt Leben hervor. Das ist wohl die eigentliche Bedeutung von dienen: Leben wecken, Leben in den Menschen hervorlocken. Dienen ist also etwas Aktives. Wenn ich einem diene, mache ich mich nicht klein, sondern ich diene dem Leben, ich bin aktiv und kreativ und suche nach dem Schlüssel, um im anderen Leben hervorzulocken. Jesus sagt, dass bei uns der Führende, der Vorangehende, der Diener sein soll. Wer andere Menschen führt, dient ihnen, er weckt in ihnen Leben.
Im Lateinischen heißt dienen: Knecht sein (servus und servire). Die Germanen haben diese Bedeutung übernommen. Dienen kommt eigentlich von laufen. Der Diener ist der Läufer, der von einem zum anderen läuft, um ihm den Auftrag oder die Botschaft des Herrn zu vermitteln. Im Laufe der Zeit hat dieses Wort eine eher negative Bedeutung bekommen. Einen „Diener" machen heißt unterwürfig vor dem Herrn verbeugen, sich klein machen. Aber wenn ich die germanische Bedeutung ernst nehme, dann ist der Diener als Läufer auch etwas Aktives. Er verbindet zwei Menschen miteinander. Er hilft, dass sie miteinander kommunizieren können. Er dient dem Gespräch, dem Miteinander. Er fördert den Austausch zwischen den Menschen. Er bewirkt, dass es zwischen zwei Parteien hin- und herläuft. Wenn der Informationsfluss gut läuft, dann gelingt eine Gemeinschaft, dann wird eine Firma gut zusammenarbeiten und auch nach außen hin Erfolg haben.
Der Engel des Dienens ist der Engel, der in uns Leben weckt und unser Gespräch ermöglicht. Was heißt das konkret? Keiner von uns ist immer in der Rolle des Dieners im Sinne eines Menschen, der anderen Untertan ist. Der Engel des Dienens möchte uns vielmehr von Fall zu Fall ermuntern, durch unser Dienen in einem Menschen Leben zu wecken und den gemeinsamen Austausch zu fördern. Ich sehe, dass in meiner Abteilung etwas klemmt. Ich kann darüber hinwegsehen oder die Aufgabe dem Chef zuschieben. Wenn ich auf den Engel des Dienens höre, dann gehe ich auf die Menschen zu, die sich gegenseitig blockieren. Ich biete ihnen meinen Dienst an, gemeinsam mit ihnen das Problem anzuschauen und zu besprechen. So wünsche ich Dir den Engel des Dienens an Deiner Seite. Er wird Dir den Blick schärfen, wo Du Leben in einem Menschen hervorlocken kannst und wo Du die eingerostete Kommunikation zwischen Menschen und Gruppen wieder zum Laufen bringst. Und ich wünsche Dir Menschen, die für Dich zum Engel des Dienens werden, die in Dir Leben wecken und Dein Gespräch wieder fließen lassen.