Der Engel der Unbestechlichkeit

"Bestechen" war ursprünglich ein Fachwort für die Bergleute. Sie stachen mit einem spitzen Werkzeug in den Boden hinein, um zu prüfen, ob dort etwas von dem gewünschten Metall oder von der Kohle zu finden ist. Von dieser Prüfung durch "Bestechen" des Bodens wurde dann unsere Bedeutung abgeleitet: jemanden mit Gaben prüfen, auf die Probe stellen, ob er ehrlich ist oder ob er sich "bestechen" lässt. ob er sich für die eigenen Absichten gewinnen lässt. Mit Geld kann man den Menschen prüfen, ob er wirklich lauter ist oder ob er sich verbiegen lässt, er er sich meinen Absichten unterordnet und genau das tut, was ich möchte, oder ob er das tut, was ihm das eigene Gewissen sagt. Heute leiden wir darunter, dass so viele Politiker und Wirtschaftler offensichtlich bestechlich sind. Man braucht ihnen nur genügend Geld anzubieten. Dann setzen sie sich für unsere Interessen ein. Dann tun sie genau das, was wir von ihnen wollen. Wir sprechen dann nicht nur von Bestechlichkeit, sondern auch von Korruption. Korruption kommt vom lateinischen "corrumpere = verderben, vernichten". Wer bestechlich ist, ist also letztlich innerlich verdorben. Er ist kein Mensch mehr. Er ist als Mensch vernichtet und zerstört. Er ist nur noch Wrack, aber kein Mensch, auf den man sich verlassen kann.

Da sehnen wir uns nach dem Engel der Unbestechlichkeit. Er steht uns zur Seite, wenn Menschen uns durch Geldangebote oder sonstige Versprechungen bestechen wollen. Er stärkt uns den Rücken, damit wir das tun, was unserem Sein entspricht, dass wir uns nicht beugen und biegen lassen, sondern aufrecht zu dem stehen, was und wer wir sind. In jedem von uns ist eine Tendenz, der Versuchung durch Geld und attraktive Stellenangebote nachzugeben. Es gibt in unserer Seele auch eine bestechliche Seite. Aber zugleich ist in unserer Seele ein unbestechlicher Teil. Manchmal ist er verschüttet, weil wir zu sehr unseren Wünschen nach Besitz und Anerkennung verhaftet sind. Da brauchen wir den Engel der Unbestechlichkeit, dass er diesen zarten Teil unserer Seele stärkt. Wenn der Engel uns einmal gestärkt hat, wo jemand uns bestechen wollte, dann wächst in uns ein Gefühl der Dankbarkeit und Freiheit. Dann trauen wir wieder unserer Seele und unserem inneren Fühlen. Dann wissen wir, der Engel der Unbestechlichkeit ist stärker als alle, die uns verbiegen, bestechen und verderben möchten.

Du kannst dich einmal einen Tag lang genau beobachten, wo du deinem Engel der Unbestechlichkeit folgst und wo du in dir die Versuchung spürst, dich von anderen bestechen zu lassen. Vielleicht sagst du in einer Gruppe nicht genau das, was du spürst. Du erkundigst dich erst, was die Gruppenmeinung ist. Und dann richtest du dich nach ihr. Schon hast du dich bestechen lassen. Oder dein Chef möchte etwas von dir. Du sollst eine Aufgabe erledigen. Du spürst, dass da etwas schief läuft, dass der Chef dich benutzen will. Aber du hast Angst, dich zu widersetzen. Sonst verlierst du sein Wohlwollen. Wenn du seinen Willen erfüllst, kannst du vielleicht mit einer Höherstufung rechnen. Oder du hast zumindest bei ihm eine gute Karte. Dann bist du der Versuchung der Bestechlichkeit ausgesetzt. Oder du willst deinem Vater etwas sagen, was dir an seinem Verhalten nicht gefällt, was dich verletzt. Doch er verspricht dir, dich beim Erbe mehr zu berücksichtigen als deine Geschwister. Und schon redest du ihm nach dem Mund. Dann bist du bestechlich. Immer wenn du nicht deiner inneren Stimme folgst, sondern dich von Angebot der Zuwendung, der Belohnung, der Auszeichnung verlocken lässt, verrätst du den Engel der Unbestechlichkeit. Bitte ihn, dass er dich sensibel macht, wo du in Gefahr bist, dich in deiner Seele verderben zu lassen. Bitte ihn, dass er dich immer unbestechlicher, klarer und eindeutiger macht. Dann wirst du aufrechter durch das Leben gehen.