Der Engel der Beharrlichkeit
Beharrlich ist, wer hartnäckig auf etwas besteht und zäh und ausdauernd für etwas kämpft. Manchmal können uns so beharrliche Menschen auf die Nerven gehen. Sie lassen nicht so leicht los. Wenn Beharrlichkeit zur Hartnäckigkeit wird, dann wirkt sie auf uns eher abstoßend. Doch Beharrlichkeit hat mit "harren" zu tun, mit warten, geduldig ausharren. Beharrlich ist der, der warten kann, der nicht gleich aufgibt. Der beharrliche Mensch lässt sich auch durch Widerstände nicht beirren. Er glaubt an den guten Ausgang. Er weiß, dass sich warten lohnt. Beharrlichkeit braucht den Glauben, dass das scheinbar Unmögliche möglich wird.
IM Matthäusevangelium sagt Jesus den Jüngern zwei Mal das Wort: "Wer aber bis zum Ende beharrt, der wird gerettet werden" (Mt 10,22 und 24,13). Das griechische Wort für beharren heißt: "hypomenein". Es hat verschiedene Bedeutungen: "warten, ausharren, ausdauern, bleiben, um einen feindlichen Angriff abzuwarten, standhalten, erdulden, ertragen". Die Beharrlichkeit hängt also mit Standhaftigkeit und mit Beständigkeit zusammen. Der standhafte Mensch lässt sich nicht so leicht umwerfen, wenn Widerstände kommen. Er steht in sich fest. Er hält fest an der einmal getroffenen Entscheidung. Er bewährt sich gegenüber Versuchungen und Anfechtungen. Der beständige Mensch ist fest in seiner Seele verankert. Er lässt sich von Launenhaftigkeit und innerem und äußerem Schwanken nicht aus der Bahn werfen. Beständigkeit lässt auf eine Festigkeit der Seele schließen. Die Lateiner nennen diese Haltung "constantia". Sie ist die große Tugend des Römertums. Thomas von Aquin bringt sie eng zusammen mit der "perseverantia", der Beharrlichkeit. Der beharrliche Mensch bleibt bei seinem Tun. Auch wenn er viele Brüche erleidet, so setzt er doch seine eigentliche Spur fort. Er geht weiter, auch wenn er über Berge von Schwierigkeiten steigen muss. Er bleibt auf seiner Spur. Zeit spielt für ihn keine Rolle. Er kann warten. Er hat das Ziel vor Augen, das "telos = Ende", von dem Jesus spricht. Wer auf das Ziel schaut und durchhält, bis er ans Ziel gelangt, der wird gerettet, dessen Leben gelingt, dessen Leben wird heil und ganz, auch wenn es zwischendurch gescheitert und zerbrochen ist.
Ich wünsche dir den Engel der Beharrlichkeit, wenn du in Gefahr bist, zu leicht aufzugeben, wenn du vor einem Berg von Arbeit steht und nicht weißt, womit du anfangen sollst. Der Engel der Beharrlichkeit möge dich begleiten, wenn du ein Studium anfängst und dich im Chaos des Universitätsbetriebes nicht auskennst, wenn du eine Arbeitsstelle antrittst und nicht weißt, wie du die verlangten Fertigkeiten erwerben sollst. Er möge bei dir sein, wenn du immer wieder an deine Grenzen stößt. Gerade in unserer Zeit, da wir all zu leicht vor Widerständen kapitulieren und alles möglichst schnell erreicht werden soll, täte uns der Engel der Beharrlichkeit gut. Lass dich nicht anstecken vom Geist des "sofort". Lerne warten, beharren, bleiben. Dann wird deine Seele innere Festigkeit gewinnen. Und dein Leben wird gelingen.