DER ENGEL DES RISIKOS

Viele meinen heute, das Wichtigste wäre, nicht aufzufallen, keinen Fehler zu machen. Dann ist die berufliche Karriere nicht gefährdet. Dann wird man in der Gruppe nicht kritisiert. Dann muss man auf seinem Posten nicht zurücktreten. Dann wird das Leben gelingen. Aber diese risikofeindllche Haltung verhindert in Wirklichkeit das Leben. Wer absolut keinen Fehler machen will, der macht alles falsch. Denn er wagt nichts, er geht kein Risiko ein. Und so kann auch nichts Neues entstehen. Sowohl in der Wirtschaft wie in der Politik, in der Kirche wie in der Gesellschaft wagt keiner mehr ein Risiko. Denn damit wird er angreifbar. Es kann ja auch schief gehen. Und das wäre die Katastrophe. Da würde man ja aus seinem sanften Ruhekissen emporgerissen und müsste vor aller Öffentlichkeit zu sich und seinen Fehlern stehen. Viele haben Angst, dass sie das nicht überleben würden. Sie sind so fixiert auf die Anerkennung und Zuwendung der Menschen, dass sie dem eigenen Gespür nicht mehr trauen und nichts mehr riskieren.

Die Psychologie sagt uns, dass der mangelnde Mut zum Risiko mit der Vaterlosigkeit zu tun hat, die unsere Gesellschaft prägt. Der Vater ist normalerweise der, der einem das Rückgrat stärkt, der einem Mut macht, etwas zu wagen, ein Risiko einzugehen. Wenn diese positive Vatererfahrung fehlt, wenn einem kein Vater das Rückgrat stärkt, dann braucht man einen Rückgratersatz. Das ist dann die Ideologie, die feste Norm, hinter der man sich verschanzt. Dann geht man auf Nummer Sicher. Man will keine Experimente machen. Alles soll beim alten bleiben. Man erlaubt sich nicht, Neues zu denken, geschweige denn, Neues zu tun. Es gibt ja keine Garantie, dass das Neue gelingt. Also unterlässt man es. Unsere Zeit ist durch Phantasielosigkeit geprägt und durch den mangelnden Mut, etwas zu riskieren. Risiko kommt aus dem Italienischen und meint Gefahr und Wagnis. Viele haben den Anspruch, das Leben müsste ohne Gefahr verlaufen. Man müsse sich gegen alle Gefahren versichern, damit einem ja nichts passieren könne. Aber je mehr man sich absichert, desto unsicherer wird man. Und allmählich traut man sich nichts mehr zu. Alles muss versichert sein. Ohne ausreichende Sicherheit kein Wagnis. Das führt immer mehr zur Erstarrung, wie es die politische und wirtschaftliche Situation heute deutlich genug zeigt. Wir kommen aus dieser Sackgasse nur heraus, wenn wir etwas wagen, wenn wir auch einen Fehler riskieren.

Ich wünsche Dir; dass Dich der Engel des Risikos ermutigt, Dein Leben zu wagen und neue Wege für Dich und für die Menschen in Deiner Umgebung zu riskieren. Der Engel des Risikos möge Dir Dein Rückgrat stärken und Dir den Rücken freihalten, damit Du frei bist, Dich selbst zu wagen und Deinen inneren Impulsen zu trauen, ohne Dich nach allen Seiten absichern zu müssen. Die Welt wird Dir dankbar sein, wenn Du etwas Neues wagst, wenn Du nicht erst die ganze Welt um Erlaubnis fragst, Deine Ideen in die Tat umzusetzen. Denn dass das Alte nicht taugt, das erleben wir Tag für Tag. Keiner traut sich, in der Frage der Arbeitslosigkeit neue Wege zu gehen. Lieber verschanzt man sich hinter Allgemeinplätzen oder schiebt die Schuld andern zu. Jeder wartet darauf, dass der andere einen falschen Schritt tut. Dann kann man ihn kritisieren. Aber keiner wagt den ersten Schritt. So tritt man auf der Stelle. Man liegt auf der Lauer; die Fehler bei andern zu suchen, anstatt selbst einen Fehler zu riskieren. Ich wünsche Dir, dass Dich der Engel des Risikos zur Freiheit ermächtigt, auch Fehler zu wagen, um Dir und den Menschen neue Wege zu erschließen. Nur wenn Du dem Engel des Risikos traust, kann durch Dich Neues in dieser Welt wachsen, können Menschen durch Dich neue Möglichkeiten entdecken.