8. Juni
... und die Wahrheit wird euch frei machen. (Johannes 8,32)
Einige von uns sind schon so lange derart in Wut, dass sie schon gar nicht mehr wissen, dass sie ärgerlich sind. Ganz ähnlich ist die Wirkung eines nicht gestillten, immer weiter hinausgezögerten Hungergefühls: Mit der Zeit fühl man sich weniger hungrig als irgendwie krank. Wir neigen dazu, das auszulöschen, was nicht erkannt oder gelöst wird. Oder wir übersetzen es in etwas anderes.
Weil brave Kinder ihre Wut nicht herauslassen (so zumindest dachten wir), lernten wir sehr früh, aus der Wut einen Schmerz zu machen. Und dort ist sie vielleicht viele Jahre lang geblieben, falsch bezeichnet und unerkannt. Als Erwachsene, die nun zu sich selbst finden wollen, werden wir uns bewusst, dass ein harter Kern aus Wut unter all diesen Schichten von Schmerzgefühlen verborgen ist. Wir sehen jetzt, dass diese Wut sich jahrelang auf Nebenwegen bemerkbar gemacht hat und dabei die Menschen verletzte, die wir lieben, und unseren Beziehungen großen Schaden zufügte.
Gott sei Dank sind wir endlich in der Lage, die Probleme zu benennen. Indem wir etwas benennen, unternehmen wir den ersten Schritt zur Abhilfe.
Ich will mich bemühen, die Wahrheit zu sehen, egal, wie unangenehm sie ist, und ich will sie mit der Bezeichnung versehen, die ihr zugehört.