15. Februar
Weshalb sind wir überrascht, wenn ein Feigenbaum Feigen trägt? (Margaret Titzel)
Eine ständige Quelle des Unbehagens und des Leids im Umgang mit Menschen, die auf der Suche nach ihren Wurzeln sind, liegt in den unrealistischen Erwartungen, die sie hegen. Mit am stärksten rechnen sie mit gesundem, vernünftigem, vertrauenserweckendem Verhalten bei jenen Menschen, die es vielleicht gar nicht zu geben fähig sind.
Alkoholismus ist eine Art Wahnsinn, dessentwegen man vielleicht nicht in eine Anstalt kommt – aber er stellt doch eine Krankheit dar, bei der das Opfer nicht imstande ist, sich so zu verhalten, wie es die meisten als normal bezeichnen würden. Bis die Heilung einsetzt, ist der Alkoholiker einer verwirrenden Mischung von Gefühlen, Illusionen, Verleugnungen, Manipulationen und Täuschungen unterworfen. Kurzum: Alkoholiker, die nicht behandelt werden, sind unfähig, ihre Rollen in einer gesunden Beziehung zu erfüllen.
Wenn wir von einem Alkoholiker, den wir lieben, der aber weiterhin trinkt, mehr erwarten, als unter den Umständen möglich ist, programmieren wir den eigenen, großen Kummer schon im voraus. Feigenbäume tragen Feigen, keine Pfirsiche. Was wir zu tun vermögen, kommt aus dem, was wir sind – nicht aus dem, was wir gerne sein würden.
Heute will ich mich nicht selbst frustrieren durch unrealistische Erwartungen. Was ich nicht ändern kann, will ich akzeptieren.